Kritische Fragen zur ORS AGLesedauer ca. 4 Minuten

Die ORS Service AG steigert jährlich ihre Gewinne. Rechenschaft legt sie dazu keine ab, obwohl sie für die Betreuung der Flüchtlinge Steuergelder erhält. Der Bund lässt zu, dass die Asylbetreuung ein gewinnbringendes Geschäft wurde. Dazu stelle ich dem Bundesrat mit der Interpellation 17.3472 ein paar unangenehme Fragen.

Die gewinnorientierte Firma ORS Service AG leitet nach eigenen Angaben derzeit 13 Zentren des Bundes, über 35 Wohnheime, Durchgangszentren und Nothilfestrukturen in den Kantonen und rund 450 Wohnungen auf Gemeindeebene. Sie betreut dabei mit 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über 6000 Asylsuchende, so viel wie keine andere Organisation oder Firma in der Schweiz.

Gewinn mit Steuergeldern

Am 23. Februar 2017 berichtete die WochenZeitung WOZ, die ORS sei heute «die grösste Akteurin im Bereich der Flüchtlingsbetreuung. Ende der neunziger Jahre beschäftigte die Firma noch 250 MitarbeiterInnen und setzte zehn Millionen Franken um. Heute arbeiten über 600 Angestellte für die Firma (…). Wie viel Gewinn beim Umsatz von 85 Millionen Franken 2015 heraussprang, hält die ORS geheim.» Gemäss der Aargauer Zeitung ist dieser Umsatz eine Steigerung von 30 Prozent gegenüber dem Jahr 2014. Sie schreibt zudem in ihrem Artikel vom 14. Februar 2016: «Rechnet man den Umsatz der ORS-Tochterfirma ABS Betreuungsservice AG hinzu, die in vier Kantonen rund 40 Mandate hat, kommt man auf einen Umsatz von 100 Millionen Franken.» Die NZZ am Sonntag kommt am 20. Mai 2017 aufgrund von Steuerausweisen zum Schluss: «Die ORS (…) erzielt einen Jahresgewinn von mindestens drei Millionen Franken.»

Warum darf die ORS mit Steuergeldern Gewinn erzielen?

Stossende Intransparenz

Mit der Übernahme der Konkurrenzfirma ABS Betreuungsservice AG baute die ORS Service AG 2014 ihre Vorherrschaft im Bereich der Asylbetreuung in der Schweiz weiter aus. Nach Recherchen der WOZ beschäftigte die ABS zu dem Zeitpunkt 110 Mitarbeitende und machte einen Umsatz von 20 Millionen Franken.

Unbekannt ist jedoch, wie viel die ORS für die Übernahme bezahlte. Angaben zum Kaufpreis fehlen. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass zumindest ein Teil der Kosten mit den Gewinnen der ORS Service AG finanziert worden ist, und somit mit Steuergeldern.

Warum darf die ORS mit Hilfe von Steuergeldern expandieren?

Bekannt ist auch, dass die ORS Service AG seit 2012 mit einer Tochtergesellschaft in Österreich tätig ist. Zudem will sie gemäss Recherchen der NZZ am Sonntag Umsätze, Gewinne und Renditen auch in Zukunft steigern. In einem Schreiben an Bund, Kantone und Gemeinden hält der Verwaltungsrat fest: «Das Gremium sieht im gegebenen Geschäftsumfeld klare strategische Opportunitäten; einerseits die bestehenden Geschäftsfelder auszubauen und andererseits auch international weiterzuwachsen.»

Verdrängung nicht gewinnorientierter Hilfsorganisationen

Was erst im Jahr 2012 bekannt wurde: Zwei Jahrzehnte lang erhielt die ORS vom zuständigen Bundesamt (Bundesamt für Flüchtlinge, heute SEM) sämtliche Bundesaufträge für die Betreuung von Asylsuchenden – und dies ohne öffentliche Ausschreibung. So hat die ORS  offensichtlich die früher zuständigen gemeinnützigen Hilfsorganisationen verdrängt. Dabei würden diese nicht gewinnorientiert handeln und für die nötige Transparenz sorgen.

Gemeinnützige Hilfsorganisationen sind der Öffentlichkeit betreffend Gewinn, Jahresumsatz oder weiteren Parametern der Buchhaltung Rechenschaft schuldig. Sie sind zur Offenlegung der Rechnung gemäss GAAP FER 21 verpflichtet und viele unter ihnen richten sich nach den Vorgaben der ZEWO-Standards.

Warum erhalten nicht gewinnorientierte Hilfsorganisationen keine Aufträge?

Transparenz ist möglich

Die Asylorganisation Zürich aoz ist mit denselben Aufgaben betraut wie die ORS. Sie ist jedoch zu einer Rechnungslegung gemäss Harmoninisiertem Rechnungsmodell (HRM) verpflichtet. Der öffentlich zugängliche Geschäftsbericht enthält denn auch sämtliche Rechnungspositionen. Sie beweist: Transparenz ist möglich.

Die Firma ORS Service AG hingegen bezahlt Leistungen mit Steuergeldern und bleibt der Öffentlichkeit aber seit Jahren jegliche Information über Einnahmen und Ausgaben schuldig. Dabei steigen ihre Gewinne offensichtlich stetig. Ebenso fehlen Informationen über die Arbeits- und Anstellungsbedingungen des Personals, seine Qualifikation für Betreuungstätigkeit oder ihre Möglichkeiten der Weiterbildung, welche die Voraussetzungen für eine menschenwürdige Behandlung der betroffenen Asylsuchenden sind. Dies ist mehr als nur stossend und muss dringend geändert werden. Die NZZ am Sonntag spricht deshalb berechtigterweise vom Geschäft mit den Flüchtlingen und fragt:

Leidet darunter die Betreuung der Flüchtlinge?

Antworten sind nötig

Aufgrund all dieser Fakten und der Fragen, die sich mir stellen, habe ich die Interpellation 17.3472 eingereicht – und bin gespannt auf die Antworten des Bundesrats. Die WOZ hat bereits über die Interpellation berichtet.