blogpost_pszeitung_squareWährend wir im Kanton Zürich darauf warten, dass die SVP uns den eigentlichen Grund für ihren Widerstand gegen die Erhöhung des Opernhauskredits mitteilt (sie wollten die Beraterausgaben und die Kosten der kontinuierlich-überhasteten Abgänge im Departement Fuhrer kompensieren…), debattieren auf der südlichen Halbkugel Tausende um Fragen, welche die Zukunft auch lange nach dem Abgang aller heutigen RegierungsrätInnen prägen werden.
Seit dem 6. November 2006 findet in Nairobi die 12. Klimakonferenz statt. Hauptziel ist es, die Zeit nach «Kyoto», also die internationale Klimapolitik nach 2012, zu diskutieren.
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Dass die international zusammengewürfelten 6000 PolitikerInnen und ExpertInnen aus Wissenschaft und NGOs momentan vor allem mit dem fehlenden Internet-Zugang kämpfen sollen, der ihnen den Zugang zu den online abgelegten Dokumenten erschwert, zeigt vielleicht beispielhaft, wie unterschiedlich die Probleme heute im Alltag noch gelagert sind zwischen denen, die teilhaben am Lebensstandart der industrialisierten Länder und denen, die den Alltag leben von Millionen im Süden.
Kenia selbst kämpft nämlich mit anderen Problemen: Wenige Monate vor der großen Klimakonferenz in Kenias Hauptstadt Nairobi ist die Regenzeit ausgeblieben. Im Frühjahr hungerten drei Millionen Kenianer, die Saat verdorrte, das Vieh starb. Die Konferenz in Afrika findet, wie Greenpeace schreibt, «auf dem Kontinent statt, der am stärksten vom Klimawandel betroffen ist, ihm am wenigsten entgegenzusetzen hat, und nur einen marginalen Anteil zum globalen Treibhausgas-Ausstoss beiträgt.»
Eine Studie des Uno-Umweltprogramms (Unep) prognostiziert, dass die Durchschnittstemperaturen in Afrika im Lauf des nächsten Jahrhunderts zwischen 4 und 6 Grad zunehmen. Die Regenfälle und damit die spärlichen Ernteerträge werden abnehmen. Gut zwei Drittel der 812 Millionen Afrikaner leben heute von der Landwirtschaft. Bis in zwanzig Jahren wird mehr als die Hälfte von ihnen mit Wasserknappheit kämpfen.
Ironie des Schicksals ist es da vielleicht, dass die momentan aktivste Afrika-Politik von China auszugehen scheint, welches sich neue Absatzmärkte aber auch politische Einfluss-Sphären zu sichern sucht – und gleichzeitig auf dem Weg ist, selbst zum grössten Klimabelaster zu werden.
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Die Frage der sogenannten Schwellenländer, der Aufholer im Industrialisierungsgrad, ist denn auch ein wesentlicher neuer Punkt auf der Tagungsordnung von Nairobi. Ihre rasant wachsenden Volkswirtschaften werden die Industrieländer beim Luft-Verschmutzen bald überholen.
Allzu gerne wird dies hier nun als Argument genutzt, dass eine radikale Klimapolitik in Europa und der Schweiz nicht nötig sei, weil sie ja doch global nichts bringe. Ich meine, das Gegenteil sei wahr. Noch immer ist unser eigener ökologischer Fussabdruck unanständig gross. Unsere Hausaufgaben zu machen, das kann uns niemand abnehmen. Und wer gegenüber China und Indien glaubwürdig eine andere, klimatisch verantwortungsbewusstere Modernisierung einfordern will, kann dies nur tun, wenn er selbst nicht einfach auf ausgetrampelten Pfaden weitergeht. Dass dies auch ökonomisch sinnvoll ist, brauche ich hier nicht weiter auszuführen. Es genügt der Hinweis, dass in der Schweiz noch nicht einmal alle wirtschaftlich rentablen Energiesparmassnahmen durchgeführt werden.
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Ein anderer Klimawandel fand bei den Wahlen in den USA statt. Und es ist zu hoffen, dass dieser politische Klimawandel sich auch in der Haltung der Staaten zu Kyoto und Kyoto II widerspiegelt. Immerhin war, wer hätte das für möglich gehalten vor ein paar Jahren, im amerikanischen Wahlkampf nicht nur der Benzinpreis ein Thema, sondern auch die Energiepolitik. Sogar Bush plädierte schliesslich für mehr Energie-Unabhängigkeit und versuchte zu punkten mit der Idee, den Teufel Klimawandel mit dem Beelzebub Atomkraft zu vertreiben. Falsch gepokert, ganz im Gegenteil zum europäisch geprägen kalifornischen Gouvernator. Er gewann seine Wahl mit Vorschlägen, die Reduktionsziele auch mit (staatlich erzwungener) technischer Innovation zu erreichen.
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Schliesslich kann ich auch noch den Bogen zum Kanton Zürich schlagen. Hier war in der letzten Zeit einmal mehr der Flughafen Thema politischer Debatten. Für die vom Fluglärm direkt Betroffenen muss leider konstatiert werden, dass sich die harte Auseinandersetzung immer mehr auf die Frage der Nachtruhe fokussiert – und dass hier die Fronten am Bröckeln sind. Wer in einer Schneise wohnt, ist sich wohl darüber im Klaren, dass die Frage der Nachtruhe für sie oder ihn weit wesentlicher ist als die Gesamtzahl der Bewegungen. Eine Plafonierung wäre hier bloss eine zusätzliche politische Absicherung, dass es nicht immer mehr ungeliebten Fluglärm zu verteilen gibt.
Aus ökologischer Sicht dagegen bleibt auch die Frage der Flugbewegungen an und für sich relevant. Denn mit zu den schlimmsten Klimasündern gehört der Flugverkehr. Dass er, zusammen mit dem Schiffsverkehr, auch in den globalen Klimaschutz einbezogen werden soll, steht ebenfalls auf der Traktandenliste von Nairobi. Heute ist Kerosin unbesteuert, und der Flugverkehr ist im Kyoto-Protokoll (wie auch im Schweizer CO2-Gesetz) explizit ausgeklammert. Das muss sich ändern. Immerhin beträgt der Anteil des internationalen Flugverkehrs am Treibhauseffekt nach einer EU-Studie bereits jetzt fast neun Prozent. Wenn Grüne und SP sich weiterhin auch für einen klaren Bewegungsplafonds und die Verlagerung der Mittelstreckenflüge auf die Bahn einsetzen, dann ist dies nicht St. Florianspolitik im Interesse einiger teils lautstarker Schneiser und Fluglärmgegner. Gerade in einer klimapolitischen Gesamtschau bleibt die Frage des Bewegungsplafonds sehr relevant.
Balthasar Glättli