blogpost_blocherwaehlen_squareDie Blocher/Roschacher/H-Plan Affäre wird nun also auch nächste Woche nochmals die Titelseiten zieren. Wem das letztendlich nützt? Der 21. Oktober wird es zeigen! Mobilisieren konnte die SVP ja auch in der Vergangenheit besonders gut. Gut möglich, dass die Zuspitzung auf BRB ihr weniger zusätzliche Stimmen bringt als vielmehr Blocher-Kritiker mobilisiert. Andererseits funktionierte der Anti-Blocher-Reflex ja vor einem Jahr am 24. September 2006(Asyl- und Ausländergesetzreferendum) ganz deutlich nicht. Möglich wäre auch schlicht eine grössere Wahlabsenz von BürgerInnen, die vom ganzen Theater überfordert, ermüdet oder gar angeekelt sind.
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Nicht verstanden habe ich in diesem Theater die Grünen Schweiz. Einerseits heizen sie die Blocher-Debatte an – nachdem sie andererseits dem kreativen Protest gegen Blocher noch die kalte Schulter gezeigt hatten. Worum geht’s?
Am Dienstag haben die Grünen im Nationalrat – zusammen mit SP und SVP – eine dringliche Debatte zum GPK-Bericht am kommenden Mittwoch beschlossen. Drei Tage nach dieser dringlichen Debatte, am 6. Oktober, ruft unter dem Motto «ganz FEST GEGEN RASSISMUS» eine bunte Vielfalt von Organisationen auf dem Berner Münsterplatz zu einem bunten Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung auf. Diesem Gegenpol zum gleichzeitigen «Marsch auf Bern» der SVP dagegen haben die Grünen Schweiz letzten Montag ganz explizit die Unterstützung verweigert.
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Wer von der Parlaments-Debatte um Blocher letztlich profitieren wird, muss offen bleiben. Dass es gelingt, die Kritikpunkte des GPK-Berichts, die mit dem ominösen H-Plan nichts zu tun haben, endlich in den Fokus zu stellen, darf aber bezweifelt werden. Und wer daran glaubt, dass bezüglich der ganzen Hollenweger-Pläne nun plötzlich eine parlamentarische Debatte ohne vorgängige zusätzliche Untersuchungen bislang Ungeklärtes klären wird, beweist ein etwas gar grosses Vertrauen in ein wahlkampf-fiebriges Parlament.
Auch wer von der SVP-Demo und der Gegenveranstaltung profitiert, kann nicht von vorneherein gesagt werden. Man darf meines Erachtens den SVP-Aufmarsch nicht einfach unkommentiert über die Bühne gehen lassen. Meinungsfreiheit und ein Recht auf eine bewilligte Meinungsäusserung im öffentlichen Raum gilt nicht nur für die SVP, sondern auch für die KritikerInnen. Dass der SVP-Anlass erst hastig vom ursprünglichen «Marsch auf Bern» zur Kundgebung «Einstehen für die Schweiz» umbenannt werden musste, spricht Bände. Die Medien werden diesen Anlass auch ohne Gegenveranstaltung prominent bringen. Aber natürlich besteht die Gefahr, dass allfällige Ausschreitungen auch ohne direkten Zusammenhang mit dem Protest-Fest in Zusammenhang gebracht werden.
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Ich komme darum zum Schluss: man kann mit guten Gründen für oder gegen eine Unterstützung dieser beiden blocherzentrierten Veranstaltungen im Parlament und auf dem Münsterhof sein. Unglaubwürdig allerdings wird es für mich allerdings dann, wenn man, wie meine Partei, einmal Ja und einmal Nein sagt. Dass zudem das Ja dem harmlos parlamentarischen, das Nein dem kreativ oppositionellen Widerstand galt, zeugt für mich von Kleinmut. Zur Offenlegung meiner Interesselage: die migrationspolitische Organisation Solidarité sans frontières, deren Geschäftsführer ich bin, unterstützt den Aufruf für die Veranstaltung «ganz FEST GEGEN RASSISMUS» (www.das-schwarze-schaf.ch).
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Ach ja, wenn wir gerade beim Schwarzen Schaf sind: Vor einer guten Woche hat eine aus meiner Sicht sehr erfreuliche überparteiliche Pressekonferenz stattgefunden. Und zwar von Schweizern afrikanischer Herkunft, die auf Nationalratslisten der Grünen, SP und CVP kandidieren. Sie forderten den menschlichen Anstand im Wahlkampf wieder ein und plädierten gemeinsam für eine «Offensive für Integration und Chancengleichheit». Ich finde es zentral, dass die mit der «Schwarzen Schaf» Kampagne durchaus beabsichtigt mit Gemeinten sich dagegen wehren, dass pauschale Diskriminierungen als Wahlkampfmittel akzeptiert werden.
Dass im Umgang mit dem politischen Gegner zuweilen mit dem Zweihänder statt dem Florett gefochten wird, geht ja noch an. Austeilen und einstecken können sind Voraussetzungen für politisch aktive Menschen. Anders ist’s beim millionenschweren Plakatieren von Sündenböcken. Es ist wichtig, dass hier nicht nur Wohlmeinende sich solidarisch äussern, sondern Betroffene selbst. Nur sie kennen aus eigener Erfahrung, wie weit der gedankenlose Rassismus im Alltag geht, haben vielleicht auch erlebt, was mir nun schon mehrere schwarze Bekannte erzählten: dass sie zum Teil in Trams mit einem «Bäääh» empfangen werden.
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Zum Schluss will ich die Gelegenheit nicht verpassen, rechtzeitig einen weiteren persönlichen Dissens zur offiziellen Grünen Position zu klären. Die offizielle gewundene Haltung der Grünen Schweiz zur Bundesratsfrage macht mir wirklich Bauchweh. So wollen die Grünen zwar in den Bundesrat. Aber nur in einen Bundesrat ohne Blocher. Abgesehen davon, dass man als Gewissensproblem kaschiert, was schlicht eine Frage fehlender Mehrheiten ist, kommt mir das so vor, wie wenn man sagen würde: «wir kandidieren fürs Parlament – wenn man die SVP, EDU und Schweizer Demokraten ausschliesst». Eine Regierungsbeteiligung hat pro und kontra. Ich bin dafür. Auch wenn dies die Grünen einigen Oppositionscharme kosten dürfte. Der Einfluss auf die Verwaltung, die Möglichkeit, konkret Verbesserungen zu gestalten, sind in der Regierung vielfach grösser als im Parlament. Gerade wenn BRB bleiben sollte, braucht es dieses Gegengewicht! Damit es allerdings so weit kommt, braucht’s erst einen grünen Erdrutschsieg. Sonntagsreden mit dem utopischen Versprechen eines ach so anderen Bundesrats der Zukunft tragen nicht dazu bei, selbst bei einem guten Resultat diese Mehrheiten zu gewinnen.