blogpost_swissarmyknife_squareSie erinnern sich an den unterdessen berühmten Fernseh-Dokumentarfilm über Blocher den Älteren, Bruder des danach abgewählten Bundesrats? Sie erinnern sich an die fahrig irren Erzählungen über die dörfliche Unabhängigkeit und den unvollendeten Klang des Rheinfalls? Sie erinnern sich an die blumig blutig visionäre Schilderung des Nahkampfs mit Sackhegel hinter den Festungsmauern des Bundeshauses im Bundesrat? Sie erinnern sich sicher. Und gerade darum schauen Sie sich das kleine Werk nochmals an. Direktlink http://snurl.com/sackhegel
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Seit der Befreiung des – inoffiziellen – grossen Vorsitzenden aus den bundesrätlichen Verpflichtungen sollten nun eigentlich wieder die Armeen der Opposition in Stellung gehen gegen die Bundeshausfestung. Und so warteten die Schweizer Politinteressierten gespannt auf die Arena am letzten Freitagabend. So viele wie noch nie. Nach meinem Eindruck allerdings war all die vorsorgliche Angst vor dem noch immer allseits als Oberrhetoriker gewürdigten Vintage-Oppositions-Politiker überflüssig. Blocher d.J. war fahrig. Er führte kaum einen Satz abgeschlossen zu Ende. Die knackigen Pointen fehlten. Die Dichte. Die Schnelligkeit. Und wo früher das  genüsslich selektive Zitieren aus Statistiken noch den zentrale Zweck erfüllte, alle Personen gegenüber als emotional gelenkte, unsachliche «Gutmenschen» abzuqualifizieren, so war diesmal auch auf Nachhaken nach konkreten Zahlen nur immer wieder von den «vielen» kriminellen Eingebürgerten die Rede. «Wie viele?» – Viele!» – «Wieviele?» – «Viele!» Wahrlich eine hochstehende Argumentation!
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So wurde man als Zuschauer den Eindruck nicht los, dass sich Blocher d.J. langsam aber spürbar dem Geisteszustand seines Bruders und geistigen Beistands annähert. In diese Richtung kommentierten auch die Sonntagszeitungen. Wird es in fernerer Zukunft gar so weit kommt, dass Blocher d.J. den Widerstand gegen die «Wildsau von einer Bundesrätin» (Blocher d.Ä.) dann halt im Alter seines Bruders doch mit dem Mittel des Sackhegels führt? Noch sieben Jahre bis Victorinox…?
Um abzuschätzen, wie sich die merkliche geistige Alterung ihres Idols auf die Position der SVP in der Parteienlandschaft auswirken wird, ist es sicher noch zu früh. Oder um bei Fontane zu bleiben: Ob und in welchem Zustand es das Schiff, allein abhängig vom Steuermann, noch an den rettenden Strand schafft oder nicht, bleibt abzuwarten.
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Der noch vor einem Monat gemäss Umfrage zu erwartende Kantersieg der SVP bei der Einbürgerungsabstimmung allerdings, das kann man wohl hoffen, wird so nicht stattfinden. Daran ist nicht die schlechte Performance in der Arena schuld. Die neuste Umfrage der gfs.bern zu den Abstimmungen vom 1. Juni im Auftrag der SRG wurde grösstenteils vorher gemacht: die Stimmung zur Einbürgerungsinitiative hatte also schon zwischen Mitte April und Mitte Mai gekehrt. Erfreulich. Bis jetzt hatte also, so ist zu vermuten, jedes SVP Plakat eher das Gegenteil der angestrebten Wirkung. Nämlich den linken und grünen, aber auch christlichdemokratischen StimmbürgerInnen vor Augen zu führen, wes Geistes Kind die Initiative mit dem Lockvogeltitel wirklich ist.
Nun werden die Befürworter nochmals alles investieren, um die Message unters Volk zu bringen. Sollte es allerdings schliesslich gelingen, das Argument der Rechtsstaatlichkeit in der Bevölkerung positiv zu verankern, dann könnte dies ein schöner Anfang sein. Einerseits im weiteren Bereich der Rechte für MigrantInnen: Gerade weil uns diese Verankerung nicht genug gelungen war, wurde die Abstimmung über Asyl-/Ausländergesetz zum Debakel. Aber auch im November wäre eine höhere Wertschätzung der rechtsstaatlichen Abläufe hilfreich: dann steht ja die Fiala-Initiative zur Abschaffung des Verbandsbeschwerderechts ins Haus.
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Das gibt mir nun die nahe liegende Gelegenheit, mich noch zur Euro zu äussern und zu den Einsprachen gegen die Sperrungen rund ums Bellevue. Ich weiss, ich komme damit gerade so wie die alte Fastnacht wie der Stadtrat mit seiner Ausschreibung…
Der sogenannte Rechtsmittelstaat, wie er mit bösartigem Unterton jeweils zum Feindbild gemacht wird, ist nicht nur der Wirtschaft sondern all den Machern unter den Politikern immer wieder ein Dorn im Auge. Paradox allerdings finde die darum herum geführten Auseinandersetzungen im Mikrokosmos Zürich doch. Zuerst hatte der Stadionkritiker VCS in der öffentlichen Meinung so was die Zwei am Rücken. Ledergerbers «Ökoterroristen»-Ausrutscher konnte da im Sinne einer paradoxen Intervention wieder alles ins richtige Verhältnis rücken. Einzig Fiala blieb weiterhin im Zustand höherer Aufregung am Thema dran und walzte die Sache gar in eine Volksinitiative aus. So weit so… na dann halt. Interessant wird nun allerdings die Reaktion des Freisinns. Jetzt, wo das Fuder geführt ist, die Millionen für den Letzigrundausbau gesprochen, der Bau im Eiltempo errichtet, die EM vor der Tür… jetzt trägt er mit der Miene der Bedenkenträger nun die den Kampf auf die Strasse. Keine permanente Festhütte will man. Und eine normale Verkehrslage. Im Interesse des Gewerbes und angeblich der Bevölkerung. Die könnten allerdings mit grossflächigen und scharf kontrollierten Temporeduktionen auch auf Durchgangsstrassen ebenso geschützt werden. Aber das darf ja dann auch nicht sein, weil es vielleicht sogar über die Euro hinaus wirksam wäre.
Ich habe den Weg umgekehrt gemacht. Die Stadionkritiker gestützt. Aber realisiert, dass Zürich die Euro will, in Zürich will. Mit vom Volk gesprochenen Zusatz-Millionen für ein eurotaugliches Stadion. Nun bin ich schon richtig dran, mich auch darauf zu freuen. Denn sonst macht ein solcher Anlass mit allen Nebengeräuschen wirklich keinen Spass.
Und den Spass lass ich mir nun auch von der FDP nicht mehr nehmen!