Green New Deal
Green New Deal

Einstimmig empfiehlt der Grüne Vorstand die SP Kandidatin Corine Mauch zur Stadtratswahl. Mit grossem Mehr auch zur Wahl als erste rot-grüne Stapine (oder wie soll man den Stapi verweiblichen?). Zwar wird formell korrekt noch die Mitgliederversammlung Anfang Jahr dies absegnen. Aber der Entscheid ist so klar und deutlich gefallen. Gegengschenkli wird uns Grünen die SP wohl deswegen im 2010 keine machen. Ob ein Ticket mit zwei Grünen zustande kommt und die Unterstützung der SP findet, falls bei einem weiteren SP Stadtrats-Rücktritt die eigenen vier Sitze in Gefahr scheinen, ist eher ungewiss. Dass die Grünen 2010 mit zwei Kandidaturen anzutreten planen, das war ein ebenso klares Signal des Vorstands.
Dennoch wäre es ein sehr schlechtes Zeichen, wenn grüne WählerInnen diese Ausgangslage nun zum Anlass für eine bloss lauwarme Unterstützung für Mauch nehmen würden. Vorab gehört Corine Mauch zu jener Generation der SP, die dem Umweltschutz und dem Gedanken der Nachhaltigkeit sehr nahe stehen. Es gibt -im Elektorat wie bei aktiven PolitikerInnen – zwischen SP und Grünen eine Schnittmenge. Corine Mauch politisiert nach meiner Erfahrung sicher inhaltlich in dieser Schnittmenge – und sie hat in diesem Feld bisher auch ihre grössten inhaltlichen Kompetenzen und am meisten politisches Herzblut gezeigt.
Ohne ihr überzeugtes Eintreten für ihre Partei und deren Positionen in Frage zu stellen, kann man durchaus sagen, dass ihre jetzige Politheimat bei der SP statt bei den Grünen vorab einer biographischen Zufälligkeit geschuldet ist und nicht einer klaren inhaltlichen Differenz oder gar Absetzung von Grünen Anliegen.
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Die Würfel sind also gefallen, die Ausgangslage klar in Zürich – einzig die CVP könnte noch die Spannung verderben, wenn sie die Unterstützung von Liebi als Stadtratskandidat verweigert und damit der SVP den Grund liefert, Stadträtin Martelli beim Stadtpräsidium zu attackieren. Faktisch würde dies den politischen Grundpositionen der Parteien eher entsprechen. Aber natürlich Martellis Chancen massiv verkleinern.
Dennoch dürfen wir die Wahl vom 8. Februar nicht unterschätzen. Ich bin sogar geneigt zu sagen, dass sie sich an Bedeutung durchaus mit der gestrigen Wahl in den Bundesrat messen lassen kann. Der Stapi – oder neu so oder so: die Stapine – von Zürich ist, jedenfalls in der Deutschschweizer Öffentlichkeit und bei der bisherigen Interpretation des Amtes, fast so was wie ein achter Bundesrat. Mit ganz anderen Verantwortungen. Mit viel weniger Handlungsmacht. Aber doch mit sehr viel öffentlicher Präsenz und politischem Gewicht.
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Dass Rot-Grün oder Rot-Grün-Mitte überhaupt in der Schweiz gedacht werden kann haben wir den Städten zu verdanken. Eine Urbanisierung im Geist hat unterdessen sogar auch bei Kantonsregierungen diese Variante wählbar gemacht, allerdings ist sie die Ausnahme. Bei den Stadtregierungen dagegen ist sie normal geworden. Und hat sich bewährt.
Sicher: auch rot-grüne StadträtInnen können sich abnützen. Auch hier werden Fehlentscheide gemacht. Der fast automatisch stattfindende Ruck in die Mitte der einmal gewählten Exekutivpersonen ist manchmal sinnvoll und bringt Lösungsperspektiven – wie das beispielhaft jeweils Monika Stocker vorgemacht hatte, die auch Allianzen mit Gewerbe und Wirtschaft suchte. Manchmal ist das Resultat vollkommen «daneben», zu jeglicher Grundrechtspolitik im Widerspruch, einem verqueren eigenen Amtsverständnis geschuldet – wie die Vorlage von Polizeivorsteherin Esther Maurer für die Polizeidatenbank «Gamma», die den Generalverdacht gegen alle Fussballfans als Handlungsgrundlage der Polizei festschreiben will.
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Dennoch: gerade in einer Zeit, da die SVP national wieder Tritt gefasst hat und vermutlich die Zeit des Chaos hinter sich lässt, müssen wir die inhaltliche Auseinandersetzung über die Schweiz der Zukunft von links-grün aus aufnehmen. Nur gegen den schlechten Stil zu sein, bringt nix. Maurer wird einen besseren Stil hinlegen als Bundesrat als er ihn als damaliger Parteipräsident zeigte. Seinem Rollenbewusstsein traue ich das zu. Aber ich traue ihm auch zu, inhaltlich knallhart die politischen SVP Positionen weiter zu vertreten, die im Übrigen auch Bundesrätin Widmer-Schlumpf zu 95% teilt. Der 10. Dezember 2008 hat wohl eher einen für die SVP selbst positiven Generationenwechsel begünstigt.
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Was so oder so sicher ist und bleibt, das sind die wesentlichen politischen Unterschiede. Und sie kommen besser als bei Stilfragen bei Grundsatzdebatten zum Ausdruck, nicht nur in einzelnen Sachentscheiden.
Von den Grünen wurde mit der Initiative «Nachhaltigkeit konkret» ein Pass für eine solche Grundsatzdebatte getreten, der vom Stadtrat und von der Kommission kreativ abgefälscht und dann vom Volk wuchtig verwertet wurde. Corine Mauch nimmt sinnvollerweise diesen überdeutlichen Entscheid gedanklich auf. Und erarbeitet einen Plan, wie sie sich konkret die Verwirklichung, die rasche Umsetzung der 2000Watt Gesellschaft vorstellt. Denn dies ist nicht zuletzt auch eine präsidiale Überzeugungsaufgabe. Nach innen, in den Stadtrat und in die Departemente, und nach aussen, hin zur Wirtschaft und zur Bevölkerung.
Tiefgreifender Umbau statt unsozialer Abbau: dieses Motto, das heute eigentlich Leitsatz aller zukunftsgewandten Kräfte sein muss, ist eine happige Herausforderung. Es fehlt an günstigem ökologischem Wohnraum, an Steuern in der Stadtkasse, an Perspektiven für den Finanzplatz. Gleichzeitig braucht es jetzt auch den Mut, die Energien, welche ein Umbruch freisetzt, radikal zu nutzen.
Wenn es in der Schweiz nach dem Vorbild von Barack Obama einen Green New Deal geben soll, dann wird er wohl in Zürich beginnen.
Balthasar Glättli