Die Verwirrung der selbsternannten wirtschaftspolitischen Elite unseres Landes ist dieser Tage mit Händen greifbar. Auch Ruedi Noser, ein bekannterer der (wie vielen schon wieder?) Vizepräsidenten der FDP. Die Liberalen, Ruedi Noser meldete sich am Sonntag im «Sonntag» zu Wort. Er wollte offensichtlich deutlich machen, dass die FDP nicht nur auf einem einzigen Bein stehen kann (dem linken nämlich, denn rechts lehnt man sich in der Fiala-Leutenegger-FDP ja direkt am grossen Bruder an), sondern dass sie durchaus mal vom Stand- aufs Spielbein zu wechseln vermag. Noser argumentierte frisch von der Leber weg und warf dabei munter Fundamentalpositionen des Freisinns über Bord, deren Haltbarkeitsdatum man eigentlich noch nicht wirklich abgelaufen wähnte. So verurteilte er die Pauschalsteuer für AusländerInnen – eben erst gegen den klaren Widerstand der FDP im Kanton Zürich abgeschafft – und kritisierte die Holdingprivilegien für Ausländer. Damit bewies er, dass ihm das Motto der noser engineering ag auf deren Homepage auch als Politiker Leitsatz ist: «Nur Persönlichkeiten bewegen die Welt, niemals Prinzipien.» (Oscar Wilde)
Wenn aber Prinzipien nicht die Welt bewegen, so bewegt doch manchmal die Welt die Prinzipien. So geschah es jedenfalls beim Bankgeheimnis. Ob es nun abgeschafft wurde oder nicht, das wird mir zwar auch von Tag zu Tag unklarer – aber da konnte oder wollte auch Nosers Interview nicht wirklich zur Klärung beitragen. Dennoch bescherte er uns mit seinem Auftritt einen der seltenen «Momente der Wahrheit». Allerdings gelang es ihm nicht, damit ein Signal des freisinnigen Aufbruchs aus selbstgewählten neoliberalen Denkwüsten auszusenden. Der Auftritt des selbsternannten Hoffnungsträgers eines modernen Freisinns geriet im Gegenteil zum Auftakt einer Kakaphonie der parteiinternen Meinungsäusserungen.
Für den staunenden Beobachter wuchs die Verwirrung mit jedem neuen Statement. Aber der Freisinn zeigte sich immerhin in einem konstant: weiterhin die Partei Juristen zu sein. Wie sagt man doch manchmal sinngemäss: wer zwei Juristen fragt, kriegt garantiert zwei verschiedene Meinungen. Beim Freisinn kriegt man, wenn man zwei ihrer Politiker im Abstand von einer Woche fragt, gleich deren vier. Und der freisinnige Bundesrat Merz bietet diese viere sogar ganz allein. Da hat sein Aufbautraining gute Resultate gezeitigt: So viel Bewegung in der Sturheit war noch nie. Das überträgt sich auch auf die ganze Partei. Getreu ihrem Motto «Eine Schweiz in Bewegung » könnte man den Zustand der Partei kurz so zusammenfassen: «Eine Partei in heller Aufregung.»
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Logo UVZ
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«Die ganze Partei ein Hühnerstall. Die ganze? Nein. In einer kleinen Stadt…» Ein Obelix mit schlauem Asterixhirn hat im Stadtrat von Zürich bisher allen Zersetzungsbestrebungen seiner Partei getrotzt. Das Steuer auch im Orkan ruhig gehalten. Vertrauen ausgeströmt. Dadurch gelingt es Stadtrat Martin Vollenwyder auch weiterhin, neue Massstäbe zu setzen. Von Monika Stocker hat er gelernt, dass Wirtschaft und Staat nicht im Gegensatz zueinander stehen müssen bei der Lösung von sozialen Problemen, sondern eine Partnerschaft eingehen sollten. In diesem Sinne macht er denn auch – frei nach dem Motto «von den Grünen lernen heisst siegen lernen» – in der Stadt Zürich «Wirtschaftsförderung konkret».
Statt antizyklischer Investitionen, die in günstigem ökologischem Wohnraum zu versickern drohen, hat er weit zielgerichtetere Projekte im Köcher. Sein Herz schlägt für die (alternativmedizinische) Kreativ­wirtschaft in Zürich. Das schafft sinnvolle, zukunftssichere Arbeitsplätze. Und die rechnen sich. Denn: Flicken ist teurer als pflegen.
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Zwar strahlte der Glanz des Universalbankenmodells in Zürich auch schon stärker. Aber wie Vollenwyder zeigt, stellt gerade in dieser Situation das Universalversicherungsmodell eine kreative Seitwärtsentwicklung dar. In diesem Modell widmet sich dann eben die öffentlich rechtliche Unfallversicherung der Stadt Zürich (UVZ) neben der eigentlichen Versicherungstätigkeit auch der Diagnose, Heilung und Prävention. Natürlich bergen solch neuen Geschäftsfelder auch unbekannte Risiken. Ihre Lancierung wurde deshalb mit dem Wissen und Billigung Vollenwyders in der UVZ zur Chefsache erklärt.
Im Gegensatz zu den Behauptungen irgendwelcher grün-alternativer Stänkerer hat Vollenwyder in diesem Zusammenhang auch in aller Konsequenz Schritte gegen die Mietzinsexplosion unternommen. Sein innovatives Bedarfsmietensystem geht davon aus, dass jungen Dienstleistungsunternehmen vor allem die Liquiditätsfalle droht. Darum hat er statt fixer Raummieten die Stundenmiete erfunden. Die Einrichtung darf zwar 24h stehen bleiben. Gezahlt aber wird nur, wenn zahlende Kunden bedient werden.
Dass der Tagi die kreative Unternehmensförderung im Verantwortungsbereich des freisinnigen Stadtrats gerade während der letzten Wochen des Stadtpräsidiumswahlkampfs aufdeckt, mag einigen Martelli-Fans betrüben. Allerdings kann ich hier kein wirkliches Schadenspotential erkennen. Denn letztlich zeigen ja die Freisinnigen hier in Zürich nur ihre Kernkompetenz – im Gegensatz zu den Konjunkturpaketsdampfplauderis von Rot und Grün: Wirtschaftsförderung in der Praxis. Nicht in der Theorie. Und wer weiss: Möglicherweise bietet Vollenwyder ja, zur Wiedergutmachung allfälliger negativer Auswirkungen der Geschichte, einzelne zentral gelegene Räumlichkeiten der UVZ nun auch anderen Mietern an. Zum Beispiel den finanziell gebeutelten Betreibern der Schwulenbar «nervous», die wegen einer «verhüenerten» Baubewilligung irrtümlich zwangsgeschlossen wurde. Vielleicht könnten die Betreiber sich das ja tatsächlich leisten. Solange sie die Miete nur für jene Stunden bezahlt müssten, an denen die Gäste auch tatsächlich etwas konsumieren!