Intelligenz oder Portemonnaie?Lesedauer ca. 3 Minuten

blogpost_unilichthof_squareDarf das Portemonnaie der Eltern über den Zugang zur Bildung entscheiden? Nein. Da sind sich sogar die meisten Befürworter höherer Studiengebühren einig. Entscheidend für den Zugang zum Studium, sei es an Uni oder Fachhochschule, muss Intelligenz und Leistung sein.

(Bildlizenz: CC by-nc-sa, Quelle: Flickr, Michael Thurm)


Wie aber soll man darauf reagieren, dass Studierende nach und wegen ihres Abschlusses möglicherweise später viel mehr verdienen als andere? Müssten sie nicht fairerweise einen grösseren Beitrag an die Bildungsausgaben leisten? Ja, jeder, der viel verdient, soll anständig Steuern bezahlen müssen. Dann sind auch genügend Mittel für die Universitäten und Fachhochschulen vorhanden. Alle Studierenden auf Vorrat abzukassieren ist dagegen unfair. Weil ja nicht alle später zu Grossverdienern werden.

WerkstudentInnen sind zudem zunehmend die Ausnahme. Das ist gewollt. Die neue Ausgestaltung des Studiums mit einer gewissen Verschulung auch in den Geisteswissenschaften (Stichwort Bologna) soll die Studiendauer verkürzen. In der Folge wurde das Arbeiten neben dem Studium immer schwieriger. Der straffere Stundenplan erfordert ein Vollzeitstudium. Ohne Nebenjob aber müssten Studierende sich bei höheren Gebühren öfter auf Vorrat verschulden. Das macht wenig Sinn.

Auch wer gegen Studiengebühren ist, muss allerdings eingestehen: Gebühren müssen nicht zwingend diskriminierend sein. Theoretisch könnten höhere Stipendien für Studierende, die finanziell nicht auf Rosen gebettet sind, den Nachteil ausgleichen. Theoretisch. Praktisch allerdings ist es unsinnig, wenn die Uni zuerst höhere Rechnungen stellt, und danach 26 Heimatkantone der Studierenden aufwändig nach 26 verschiedenen Stipendiensystemen prüfen, wer Anspruch auf welches Stipendium hat.

Zudem stehen aktuell nur höhere Studiengebühren, nicht aber höhere Stipendien auf der politischen Traktandenliste. Eine bürgerliche Mehrheit von SVP, FDP, CVP und Grünliberalen will im Kanton Zürich die Gebühren praktisch verdoppeln. Sie erhofft sich so Mehreinnahmen von 18 Millionen.

Das ist ein kleiner Beitrag ans Riesenloch der Kantonsfinanzen. Aber ein grosser Schaden für den liberalen Grundwert des freien Zugangs zur Bildung.

Um den vielbeschworenen Rohstoff Bildung zu fördern, brauchen wir nicht neue Gebühren für kluge Arme, sondern eine Abkehr von der dummen Dumpingsteuerpolitik zu Gunsten der Reichen.

Balthasar Glättli ist Gemeinderat der Grünen in Zürich
(Artikel geringfügig redigiert erschienen im Tages-Anzeiger vom 27.11.2009)

P.S.: In der Zeitung vom 27. November ist nun zu lesen dass GLP und CVP neu der Erhöhung der Studiengebühren an der Uni kritisch gegenüberstehen. Als ich meinen Artikel schrieb, meldeten die Medien noch das Gegenteil. Gleich geblieben ist allerdings die Befürwortung höherer Studiengebühren bei den Fachhochschulen. Das scheint mir besonders paradox zu sein. Wurde doch hier ein ganzes neues System schweizweit in den letzten Jahren aus dem Boden gestampft und ganz bewusst festgehalten, dass die Gebühren maximal 2’000.- im Jahr betragen dürften. Eine Erhöhung würde also dazu führen, dass Zürich den Wohnsitzkantonen von Studierenden die ausserhalb des Kantons wohnen, die Differenz zurückerstatten müsste. So würden an Zürcher Hochschulen Zürcher Studierende benachteiligt! Absurd.