Die Wahlen am Sonntag waren spannend, und das bis zuletzt. Für uns Grüne ist der Wiedereinzug in den Regierungsrat ein riesiger Schritt, und erst noch ein höchst verdienter für den engagierten Martin Graf.
Nach den Kantonsrats-Wahlen überboten sich von den Medien erkorene Politexperten alle mit dem gleichen Rat. Die Parteien sollten in die Mitte streben. Dort wurden ja von glp und BDP die grössten Erfolge erzielt. Dass aber im gleichen Feld auch die grössten Verluste stattfanden wird grosszügig ausgeblendet

glp und BDP wuchsen 2011 nicht mehr auf Kosten von SP und Grünen. Stattdessen verdampften die Stimmenanteile selbst so langjähriger und prototypischer Mitte-Parteien wie der CVP. Ist unter diesen Voraussetzungen der Sprung ins Haifischbecken der rechten Mitteparteien der Königsweg für die Grünen?

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Ich meine: Die Grünen müssen vielmehr um den inhaltlichen Lead im Mitte-Links-Lager kämpfen. Wir sind nicht schlecht aufgestellt dafür! Unser Verhältnis zum Staat war schon immer ein Kritischeres als das der Sozialdemokratie – und das soll auch so bleiben, gerade wenn wir an immer mehr Orten in der Regierungsverantwortung stehen. Gleichzeitig haben wir uns auch gegen die rein ideologisch motivierte und ziemlich unehrliche Staatskritik von rechts gewehrt. Ein Kritik, deren Verlogenheit spätestens dann offensichtlich wurde, als die gleichen Kreise milliardenschweren Staatshilfen für die grossen Finanzinstitute zustimmten.

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Im Gegensatz zur SP – aber auch zur glp – können die Grünen zudem eine Grundhaltung einbringen, die in der aktuellen Lage zentral ist: wir waren schon je gegen simple Wachstumsgläubigkeit. Der gehetzte Sprint im Hamsterrad des Mehrproduzierens und Mehrkonsumierens schafft schon länger nicht mehr echten Wohlstand und Zufriedenheit! Mehr Effizienz und technischer Fortschritt alleine reichen kaum aus, um die Herausforderungen der Energiewende zu bewältigen – die politische Frage stellen heisst, nicht einfach immer mehr Wohlstand anzustreben, sondern zu  fragen, welchen Wohlstand wir wollen.

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Darum: Nutzen wir die Chancen, die sich daraus ergeben, dass in der klar rechtsbürgerlichen Mitte nun auch neue, etwas ökologischere Kräfte die alten ablösen. Und tun wir das unsere dazu, in aller Breite, den Kampf um den inhaltlichen Lead im Mitte-Links Lager aufzunehmen!
Dazu muss man nicht grösser sein, sondern besser. Nicht älter, sondern flinker. Nicht dogmatisch reiner, sondern breiter aufgestellt – und innerparteilich debattierfreudig.
Balthasar Glättli, erschienen als Grüne Gedanken zur Woche am  7.4.2011 im P.S.