Geärgert habe ich mich letzte Woche. Über eine Ferienlektüre. Das Löpfe/Vontobel Buch „Aufruhr im Paradies“. Und zwar nicht darüber, dass die Autoren die sogenannt neue Zuwanderung thematisieren. Sondern darüber, dass sie, die auf dem Umschlag selbst „Fakten statt Emotionen“ versprechen, sich vor der präzisen Analyse drücken und vieles nicht zu Ende denken.
Bezeichnend ist das Schlusskapitel. Die hier präsentierten Lösungsvorschläge fallen mit zwei Seiten Umfang nicht  nur äusserst mager aus. Das Kapitel ist auch sehr unentschlossen und offen geschrieben. Die Bilateralen kündigen? Das wollen die Autoren denn doch nicht. Sich aus dem internationalen Standortwettbewerb ausklinken? Nein, daran ist in ihren Worten „nicht zu rütteln“. Den kantonalen Steuerwettbewerb abschaffen? Nein, da gelte es den Volkswillen zu respektieren. Absurd wird der Text schliesslich, wenn die spezifischen Effekte der neue Zuwanderung von reicheren und besser ausgebildeten Menschen aus der EU dadurch bekämpft werden sollen, dass man den Familiennachzug für MigrantInnen aus Drittstaaten einschränkt.
Mit Verlaub gesagt: wer mit aufklärerischem Gestus die politische Ökonomie der Immigration zu analysieren vorgibt, der sollte dann auch den Mut haben, weiterzudenken, wenn die Arbeitshypothese „Die Deutschen sind schuld“ mal nicht aufgeht.
Es ginge ja recht einfach. Ein grosser Teil der benannten Probleme hat ursächlich mit der Immigration sehr wenig, mit einer Politik, die den Reichen zudient, dagegen sehr viel zu tun. Beispiel Steuerwettbewerb: Er trägt nicht zu effizienterem staatlichem Handeln bei. Aber er schwächt den Service Public. Und das trifft nicht die Reichen, sondern den Mittelstand und die Unterschicht. Sie sind es, die auf zahlbare Kinderbetreuung angewiesen sind. Auf ausreichende Prämienverbilligung. Auf einen bezahlbaren ÖV.
Und weil die Probleme durch rechtsliberale Rahmenbedigungen geschaffen werden, lesen sich die Rezepte halt wie ein Telegramm linker Programmatik: Der Steuerwettbewerb braucht starke Leitplanken. Die Pauschalbesteuerung gehört abgeschafft. Planungsmehrwerte müssen abgeschöpft werden. Die flankierenden Massnahmen der Bilateralen müssen ausgebaut werden. Die Lohnschere muss kleiner werden. Und es braucht Mindestlöhne für alle – jetzt!
Und schliesslich zum Eingemachten: BIP Wachstum über alles ist kein Zukunftsprojekt. Gerade aus ökologischer Sicht nicht. Wir brauchen eine grüne Wirtschaft, die echten und nachhaltigen Mehrwert schafft statt schnelle Rendite für die Aktionäre.
Balthasar Glättli
(erschienen am 5. Mai im P.S. als Grüne Gedanken zur Woche)