Mehr Lebensqualität statt mehr Wachstum!Lesedauer ca. 2 Minuten

Wir haben nur eine Erde. Das Bild unseres blauen Planeten im schwarzen Weltall, wer kennt es nicht? Es ist in unser aller Gedächtnis verwurzelt. Und jedermann, der dieses Raumschiff Erde betrachtet, weiss, dass es natürliche Grenzen des Wachstums gibt. Natürlich müsste diese Erkenntnis auch unser Alltagsleben, unsere Wirtschaftstätigkeit und die Politik prägen. Doch nein: schon nur die simple Wahrheit auszusprechen trauen sich erst wenige.

Stattdessen schauen wir gebannt auf das Wachstum des Bruttosozialprodukts. Als sei dies der Massstab für unsere Lebensqualität. Und droht es sich zu verlangsamen oder gar zurückzugehen, dann fürchten wir Rezession und Arbeitslosigkeit. Gleichzeitig wissen wir, dass unsere Wirtschaftstätigkeit mit immer steigendem Ressourcenverbrauch verbunden ist und den Klimawandel antreibt.

Schaffen wir es, diesen gordischen Knoten zu durchschlagen? Das weiss ich nicht. Eins aber weiss ich: Wir müssen es! Der britische Ökonom Tim Jackson bringt es auf den Punkt: «Für die hoch entwickelten Volkswirtschaften der westlichen Welt ist Wohlstand ohne Wachstum kein utopischer Traum mehr, er ist eine finanzpolitische und ökologische Notwendigkeit.»

Und er gibt bedenkenswert klare Anregungen zur Umsetzung. Als politische Rahmenbedingungen fordert er fixe Reduktionsziele für den Rohstoffverbrauch und schädliche Emissionen, eine ökologische Steuerreform und eine besonders engagierte Unterstützung des ökologischen Wandels in den Entwicklungsländern. Er fordert ein massives ökologisches Investitionsprogramm in die Gebäudesanierung, in moderne Smart-Grids, in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs – aber auch in öffentliche Räume und in den Erhalt bestehender Ökosysteme. Zur Zähmung der nationalen und internationalen Finanzmärkte regt er griffige Regulierungen und Schritte hin zu einer Vollgeldreform an. Schliesslich postuliert er eine Arbeitszeitverkürzung und die Verteilung der Arbeit auf mehr Hände sowie die Verkleinerung der Lohnschere, weil weniger Ungleichheit glücklicher macht und mehr Freizeit auch mehr Raum für freiwilliges Engagement lässt.

Denn Jackson will nicht wie viele andere Experten einen erschreckend umfassenden Planungsstaat schaffen, sondern im Gegenteil neuen Raum für die Zivilgesellschaft und auch für lokale Demokratie. So können neue Formen der Zusammenarbeit entstehen, gelebte Nachbarschaftshilfe, belebte öffentliche Räume im Wohnumfeld, ein neues Gemeinschaftsgefühl – statt ständig mehr Leistungsdruck und Konsumzwang.
Ein Legislaturprogramm, das bei seiner Umsetzung aus der aktuellen Krise die Chance machen würde, die Lebensqualität aller Menschen ins Zentrum zu stellen statt Wirtschaftswachstum und Reichtum für wenige. Jacksons Buck «Wohlstand ohne Wachstum» wünschte ich mir auf dem Nachttisch all meiner künftigen KollegInnen im Parlament. Und auch in die Zelte der Occupy Bewegten – damit sie ihren Protest mit konkreten Forderungen unterlegen können!

Balthasar Glättli, NR Grüne (Erschienen im Newsnetz Politblog auf deutsch und auf französisch)