Asyl: Praktische Lösungen statt Verschärfungs-PanikLesedauer ca. 3 Minuten

Das Asylwesen macht wieder Schlagzeilen. Wem das politisch nützt, ist klar. Auch wenn die SVP eigentlich ihre Glaubwürdigkeit im Thema verloren haben sollte. Das heute gültige Asylgesetz wurde vom damaligen Bundeserat Blocher geprägt und gewann, von der SVP unterstützt gegen Widerstand von Links an der Urne.

Dennoch soll das Asylwesen einmal mehr an erneuten Verschärfungen genesen. Erfreulich tönen auf den ersten Blick deshalb die Einlassungen des FDP-Nationalrats Philipp Müller: Er sei nicht mehr bereit, sinn- und nutzlose Verschärfungen durchzuwinken, welche aber tatsächlich nichts bewirkten. Zwar macht auch Philipp Müller mit bei der Panikmache. Er spricht von marodierenden Banden und verlangt Lager weitab bewohnter Gebiete – obwohl die Asylgesuchszahlen weniger als halb so hoch sind wie zur Kosovokrise. Diese Einlassungen tragen nicht zur Entspannung bei, die eine notwendige Voraussetzung für pragmatische Lösungen wäre.

Aber Philipp Müller hat in einem Punkt recht: wenn er sagt, dass die Problematik zu einem grossen Teil in der Praxis liegt und nicht beim Gesetz. Mit mehr Stellen im BFM und im Bundesverwaltungsgericht könnten die Pendenzen abgebaut und Asylgesuche ohne irgend eine Gesetzesänderung wesentlich rascher umgesetzt werden. Einige Jahre lang war es Praxis des BFM, Gesuche aus Ländern mit hohen Chancen auf einen positiven Entscheid während Monaten oder Jahren nicht zu behandeln. Das wird im aktuellen Bericht zu Beschleunigungsmassnahmen offen zugegeben. Eigentlich ein Skandal für sich. Wären diese Leute rasch als Flüchtlinge oder Schutzbedürftige anerkannt worden, hätten sie schon lange und einfacher hier integriert werden können als dies nach jahrelanger zermürbender Warterei der Fall sein wird. Wenn sich hier eine Allianz für rasche aber faire Verfahren bilden liesse, wäre dies auch im Sinne des Flüchtlingsschutzes. Die Rekursfristen für die Betroffenen dürften dabei nicht verkürzt werden. Bei Verfahrensdauern von mehreren hundert Tagen auf Seiten der Behörden und Gerichte sind sie definitiv nicht der Grund für die langen Wartezeiten.

Inkonsequente Haltung von Müller
Die Stunde der Wahrheit wird für die FDP aber bei der Behandlung der aktuellen Teil-Revision kommen, und da vermisse ich in Müllers Interviews den Klartext: Da soll das Botschaftsasyl abgeschafft werden – d.h. dass keine Asylgesuche im Ausland mehr gestellt werden können. Das ist quasi eine Aufforderung, mit Schleppern in die Schweiz zu kommen. Und Deserteure sollen von grundsätzlich vom Asyl ausgeschlossen werden: obwohl gerade heute viele anerkannte Flüchtlinge Leute sind, die sich in Krisengebieten weigern, bei der Spirale der Gewalt mitzumachen und dafür mit langjährigen Gefängnisstrafen und Folter bedroht werden. Bis jetzt habe ich keine öffentliche Stellungnahme gegen diese Verschärfungen gehört, welche die Chance auf Asyl für politisch Verfolgte verkleinern und keineswegs zu einem geringeren Aufwand für das Asylwesen in der Schweiz führen.
Unverständlich ist auch Müllers Forderung nach einer massiven Aufstockung des Grenzwachtkorps. Was vermehrte Grenzpatrouillen mit einem fairen aber raschen Asylverfahren zu tun haben sollen, das bleibt wohl nicht nur mir unklar.

[NACHTRAG 13:00] Eine lesenswerte Medienkritik zum Asyl-Panik-Hype findet sich auf Infosperber: Filmemacher Erich Schmid schreibt zu „Asyldebatte: Zynismus in der Tagesschau“

Bild: http://www.zeit.de/politik/ausland/2011-02/eu-tuerkei-fluechtlinge

[NACHTRAG 27.1.2012] Gestern debattierte ich mit Philipp Müller im TalkTäglich zum Thema