Katastrophen-Erzählungen vom CyberkriegLesedauer ca. 2 Minuten

Als Netzpolitiker weiss ich durchaus um die Gefahren im Cyber-Space. Allerdings habe ich mit Interesse auch den Beitrag Der Cyber-Krieg, der (so) nicht kommt. Erzählte Katastrophen als (Nicht)Wissenspraxis von Myriam Dunn Cavelty gelesen.

Sitzungsvorbereitung kann durchaus spannend sein. So habe ich zur Vorbereitung einer Sitzung der Sicherheitspolitischen Kommission zu MELANI einen spannenden Beitrag von Myriam Dunn Cavelty gelesen. Sie weist in ihrem lesenswerten Text darauf hin, dass in den Katastrophen-Szenarien oft gerade das Nichtwissen darüber, was wirklich wahrscheinliche Szenarien sind, zur Rechtfertigung von (nverhältnismässigen) Sicherheitsanstrengungen missbraucht werden.

An Vorsorge orientierte Politik darf sich der Problematik von Nichtwissen nicht entziehen. Neben der Bearbeitung von mehr oder weniger wohldefinierbaren Risiken muss untersucht werden, was nicht gewusst und nicht vorhergesehen wird. Darüber hinaus muss in diesem Prozess die Frage gestellt werden, weshalb es nicht gewusst wird, wie unter Bedingungen des Nichtwissens gehandelt und entschieden werden soll und wie Nichtwissen kommunikativ vermittelt werden kann.

(…)

Die Problematik des Nichtwissen-Könnens [ist] explizit häufig bereits Teil der öffentlichen Cyber-Narrationen […]. Nichtwissen sollte jedoch nie als Katalysator und Beweis für die Notwendigkeit von zusätzlichen Sicherheitsanstrengungen verstanden und eingesetzt werden. Ein Verständnis für die Regeln der Sicherheitspolitik mit Verweis auf bestehende Katastrophennarrationen ist dabei zentral, denn ein solches lässt die Beobachtung zu, dass ebendiese Regeln eine Übertreibung der Gefahrenlage begünstigen, gar fördern, aber dass diese Übertreibung der Lösung der Problematik nicht förderlich ist. Durch eine ausbalanciertere Darstellung könnte zum Beispiel dem Umstand entgegengewirkt werden, dass die in den Szenarien beschriebenen apokalyptischen Ereignisse aufgrund ihrer Form und Intensität jegliche Vorsorgeplanung eigentlich von vornherein zum Scheitern verurteilen und dass durch die Darstellung der Katastrophe als überaus schrecklich und allumfassend eine ungesunde Priorität der Prävention ganze Gesellschaften in den Zustand des Konjunktivs versetzt.

(…)

Dadurch, dass die Angst vor TEOTWAWKI [d.h. The End Of The World As We Know It; B. Glättli] während Jahren so weit gestreut wurde, befindet sich die Gesellschaft in einem Zustand der abwartenden Daueralarmierung. Jeder Vorfall wird zwar mehr oder weniger stark von den durch die Szenarien geformten Erwartungen in Bezug auf Ausmaß und Schrecklichkeit abweichen, diesem Zustand aber dennoch nicht Abhilfe leisten. Vielmehr werden diese Vorfälle, ganz gemäß der Logik, mit der mit Nichtwissen umgegangen wird, weiterhin dafür verwendet werden, das „es hätte noch viel schlimmer sein können“ dem „seht ihr, es ist ja gar nicht so schlimm“ vorzuziehen.

Aus: Der Cyber-Krieg, der (so) nicht kommt (PDF auf academia.edu)

Fast ist man geneigt, mit Roosevelt – leicht abgewandelt – zu sagen:  «So, first of all, let me assert my firm belief that thing we have to fear most is… fear itself.»