Immer wieder erhalte ich interessante Fragen von Bürgerinnen und Bürgern. Manche Antworten mögen auch ein breiteres Publikum interessieren. Darum will ich künftig solche Antworten hier veröffentlichen.

Ich wollte sie im Namen aller Schweizer Content Creators im Internet auf Youtube/Twitch in der Schweiz fragen was passieren würde, wenn die EU das sehr umstrittene Urheberrechtsgesetz annehmen würde. Würde das sofort wegen dem Schengenabkommen übernommen werden oder gibt es da Spielraum bzw.. Kann da via Abstimmung das ganze abgewendet werden. Ich bekomme immer wieder von meinen Zuschauern die Frage wie genau die Situation ist. Ich hoffe sie können uns weiterhelfen.

So lautete die Zuschrift eines Bürgers Mitte Februar 2019.

Hier meine Antwort auf die obige Zuschrift

Lieber Herr X
zuerst die Vorbemerkung (“Packungsbeilage”): Ich bin nicht Jurist und schon gar nicht Fachmann im Urheberrecht. Das ist so kompliziert, dass auch viele JuristInnen nicht durchblicken.
Dennoch wage ich folgende Einschätzung zu machen: Die Schweiz ist von dieser umstrittenen Regelung direkt überhaupt nicht betroffen. Und ich sehe keine Art und Weise, wie das Schengen-Abkommen damit etwas zu tun haben sollte. Bei Schengen geht es um Visumsvorschriften, Abbau der direkten Grenzkontrollen und dafür Aufbau der Fahndung nach illegalen Aufenthaltern im Innern der Schengenländer, um den Schutz der Schengen-Aussengrenze, um gemeinsame Datenbanken zur Fahndung. Gar nichts hat mit Urheberrecht zu tun.
Zudem ist in der Schweiz momentan ja gerade eine Revision des Urheberrechts im Gange, und hier sind auch gewisse Besonderheiten des Schweizerischen Rechts von der Mehrheit her unbestritten. Diese Besonderheiten gefallen weder den USA und den grossen Inhaltsproduzenten/Labels in den USA, noch gibt es sie sonst in anderen Ländern. Konkret geht es darum, dass in der Schweiz der Download von nicht lizenzierten Inhalten für den Privatgebrauch nicht strafbar ist. Auf deutsch: man darf illegal downloaden für den Privatkonsum.
Es kann natürlich sein, dass in der Schweiz politischer Druck entsteht, wenn sich die EU-Regeln dort wirklich durchsetzen. Aber eine erneute Anpassung des jetzt gerade in Revision befindlichen Gesetzes müsste durch das Parlament erfolgen und wäre auf jeden Fall mit einem Referendum bekämpfbar.
UPDATE 14.2.19/13h: Der Rechtsanwalt Martin Steiger erwähnt in einer Reaktion auf diesen Beitrag zutreffend, dass es natürlich sehr wohl möglich ist, dass grosse Video Plattformen wie Youtube die EU-Gesetzgebung nicht nur für EU-BürgerInnen, sondern für alle europäischen Kund*innen umsetzen. Sprich auch für Kund*innen aus der Schweiz. Dies wäre allerdings eine freiwillige Umsetzung, weil das Schweizer Recht dies nicht so fordert. Ähnlich wie im Falle der DSGVO, wo viele grossen Online-Anbieter (freiwillig) den Schweizer Nutzer*innen die gleichen Rechte zugestehen wie den Nutzer*innen aus dem EU-Raum.
Mit besten Grüssen
Balthasar Glättli

P.S.: Was man in der Schweiz (wie in anderen Ländern) noch nie durfte und auch weiter nicht darf, ist dieses Material wieder der Oeffentlichkeit zur Verfügung stellen (darum sind dann gewisse Peer-To-Peer Downloadmethoden illegal, weil man dort nicht nur hinunterlädt, sondern gleichzeitig auch Teile der heruntergeladenen Dateien wieder anderen zur Verfügung stellt).