Mit mehr Demokratie gegen die KlimakriseLesedauer ca. 6 Minuten

Als Antwort auf die Klimakrise möchten die GRÜNEN die Demokratie erweitern: Wir wollen einen durchs Los repräsentativ besetzten Klimarat schaffen, der ambitionierte Lösungen zur Klimakrise in den politischen Prozess einbringen kann.

Die Diskussion um unser politisches System wird oft mit radikalen Positionen geführt. Einerseits gibt es Kritiker*innen der parlamentarischen Demokratie, welche diese am liebsten gleich ganz abschaffen würden. Andererseits gibt es Menschen, welche den Status Quo verteidigen, als sei dieser das alleinseligmachende System. Natürlich ist beides falsch.

Demokratische Mitbestimmung ist eine enorme Errungenschaft, welche es zu bewahren und zu stärken gibt. Und die repräsentative Demokratie gehört nicht einfach auf den Müllhaufen der Geschichte: Das Erarbeiten von Gesetzen braucht besondere Kompetenzen und Erfahrung, und die Möglichkeit, diese Aufgabe an gewählte Vertreter*innen seines Vertrauens zu delegieren, ist sinnvoll. Der Vorschlag der GRÜNEN, einen Klimarat einzusetzen, ist also nicht ein Teil des populistischen „Kampfs gegen die abgehobene Politiker*innen in Bern“, wie er (nicht nur von rechtsaussen) immer wieder hörbar wird.

Gerade wer die Demokratie, die direkte und die repräsentative, bewahren will, muss sie auch erneuern. Beispielsweise, indem immer mehr Betroffene auch zu Beteiligten gemacht werden. Das letzte Mal geschah dies in er Schweiz – viel zu spät – mit der Einführung des Frauenstimmrechts. Gerade aktuell hat sich der Nationalrat endlich überraschend dafür ausgesprochen, das Stimmrechtsalter 16 zu prüfen. Und ein langer Weg liegt wohl noch vor uns, bis in der Schweiz überall das Stimmrecht aller Menschen auch ohne Schweizer Pass gilt, wie dies die GRÜNEN fordern.

Der Klimarat will keine Abschaffung des Parlaments. Sondern eine Bereicherung der Demokratie. Kein Ausschalten des Volkswillens. Sondern die Möglichkeit, die Stimmberechtigten auch über Fragen abstimmen zu lassen, die zu stellen eine Mehrheit unseres Parlaments bisher nicht den Mut hatte.

— Balthasar Glättli

Die Demokratie braucht aber auch sonst immer wieder „Frischluft“ und Debatten über ihre Rahmenbedingungen. Dazu gehört nicht nur mehr Transparenz. Sondern auch die Diskussion, wie verhindert werden kann, dass Politiker*innen durch Angst vor der Abwahl gar nicht erst bereit sind, ambitionierten Lösungen für die grossen Probleme und Herausforderungen zuzustimmen. Gerade zur Lösung der Klimakrise wäre dies aber dringend nötig. Die Erfahrung zum Beispiel mit dem Klimarat in Frankreich zeigt, dass ein zufällig, aber repräsentativ zusammengesetztes Gremium sich mit klaren Mehrheiten für durchaus griffige Forderungen entscheiden kann.

Wir GRÜNEN in der Schweiz möchten dies aufnehmen. Und an unser Schweizerisches System anpassen. Keine Abschaffung des Parlaments. Sondern eine Bereicherung der Demokratie. Kein Ausschalten des Volkswillens. Sondern die Möglichkeit, die Stimmberechtigten auch über Fragen abstimmen zu lassen, die zu stellen eine Mehrheit unseres Parlaments bisher nicht den Mut hatte.

Fragen und Antworten zum Klimarat »

 

Die IDEE: Ein durchs Los bestimmter Klimarat bringt Forderungen in die Politik ein

Die Parlamentarische Initiative 20.467 fordert:

Es sind die nötigen gesetzlichen Grundlagen zu schaffen für die Einführung eines Klimarats, der mehrheitsfähige Lösungen für den Klimaschutz und für mehr Klimagerechtigkeit erarbeiten soll. Er soll dazu beitragen, dass die Schweiz möglichst rasch zu einem klimapositiven Land wird und so lange existieren, bis die Schweiz vier Jahre lang klimapositiv war.

Der Klimarat umfasst 200 zufällig ausgewählte Personen. Im Klimarat vertreten sein können Personen ab 16 Jahren, Schweizer*innen und Ausländer*innen mit einem ständigen Wohnsitz in der Schweiz. Ein geeignetes zufälliges Auswahlverfahren sorgt für eine ausgeglichene und der Bevölkerung entsprechende Vertretung der Geschlechter, Altersgruppen, Bildungsgrade, Wohnortgrössen, Migrationshintergrund und Sprachregionen. Es gibt eine maximale Amtsdauer von sechs Jahren. Bei vorzeitigen Rücktritten werden Personen ebenfalls durchs Los ersetzt.

Der Klimarat wird bei seiner Arbeit von Wissenschaftler*innen beraten und hat eine professionelle, unabhängige Moderation der Diskussionsprozesse. Er soll wie Stände- und Nationalrat in regelmässigen Sessionen tagen und entsprechend entschädigt werden.

Der Klimarat hat die Möglichkeit, eigene Entschlüsse zu fassen. Er hat dabei die Kompetenz, Resolutionen zu verabschieden, und er kann direkt Motionen und parlamentarische Initiativen zuhanden des Parlaments beschliessen, welche analog zu Kommissionsvorstössen der parlamentarischen Kommissionen von Bundesrat und Parlament beschleunigt behandelt werden. Er hat zudem mit Zweidrittelsmehr die Kompetenz, Volk und Ständen einen Antrag auf eine Verfassungsänderung vorzulegen. Ein solcher Antrag auf Verfassungsänderung (Klimarat-Initiative) wird entweder im Sinne einer erfolgreich gesammelten Volksinitiative durch Bundesrat und Parlament vorberaten und gegebenfalls mit einem direkten oder indirekten Gegenvorschlag ergänzt oder, bei entsprechendem Beschluss des Klimarats, auch direkt und ohne parlamentarische Abstimmungsempfehlung direkt Volk und Ständen zur Abstimmung unterbreitet wird. In beiden Fällen übernimmt der Klimarat als Gremium sinngemäss die Rechte und Pflichten des Initiativkomitees.

Der Bundesrat und parlamentarische Kommissionen können zudem vom Klimarat explizit Stellungnahmen zu Fragestellungen in dessen Zuständigkeitsbereich einholen.

Die Begründung

Angesichts der enormen und dringenden Herausforderung der Klimakrise gilt es, neue Wege zu erproben, um schnellere, ambitioniertere und gleichzeitig breit und demokratisch abgestützte Lösungen für mehr Klimagerechtigkeit zu finden.
Die französische «Convention Citoyenne pour le Climat», ein ebenfalls durchs Los repräsentativ gewählter Klimarat, hat nach Konsultation mit verschiedenen Wissenschaftler*innen und interner Debatte klimapolitische Forderungen verabschiedet, welche in ihrer Ambition deutlich über das hinausgehen, was gewählte Regierungen und Parlamente bisher beschlossen haben.
An diesem Beispiel zeigt sich, dass die Institution eines per Los repräsentativ bestellten Klimarats unter wissenschaftlicher Beratung und professioneller, aber unabhängiger Moderation möglicherweise eher als gewählte Parlamente geeignet ist, die nötigen, weitgreifenden Massnahmen zu debattieren und in den demokr welche gleichzeitig mehrheitsfähig und geeignet sind, die Klimakrise tatsächlich rasch und wirksam anzugehen.

Der Klimarat gemäss dem hier präsentierten Vorschlag soll eingebettet sein in die bestehenden demokratischen Institutionen und in die direkte Demokratie, nicht wie zB der für 2021 geplante Bürgerrat in Deutschland, der dem deutschen Bundestag bloss ein Bürgergutachten übergeben soll.
Die Vorstösse des hier geforderten Klimarats werden vom Parlament beraten und dessen Beschlüsse sind dann wie üblich im Falle einer Gesetzesänderung dem fakultativen Referendum und im Falle einer Verfassungsänderung dem obligatorischen Referendum unterworfen. Zusätzlich soll der Klimarat die Möglichkeit haben, mit einem Zweidrittelsmehr Volk und Ständen Verfassungsänderung zur Abstimmung zu unterbreiten (Klimarat-Initiative). Eine solche Klimarat-Initiative wird entweder nach parlamentarischer Beratung analog zu einer Volksinitiative oder auch direkt und ohne Vorberatung durchs Parlament Volk und Ständen zur Abstimmung unterbreitet.
Damit sollen zwei Ziele erreicht werden: der Klimarat kann verbindliche Vorschläge in den politischen Prozess einbringen. Bei Gesetzesänderungen bleibt aber die definitive Entscheidung beim Parlament (mit der Möglichkeit, ein fakultatives Referendums zu ergreifen), bei Verfassungsänderungen bleibt die definitive Entscheidung bei Volk und Ständen.