Gouverner, c’est prévoir. So heisst es bekanntlich. Und unzeitgemäss: In einer Zeit, da von den sogenannt bürgerlichen Parteien und von den sogenannten Wirtschaftsverbänden Corona-Öffnungsphantasien verbreitet werden, nach dem Motto «Hat bloss die Beiz offen, dann läuft die Wirtschaft!» Obwohl Beizerinnen und Beizer, die rechnen können, schon öffentlich erläutert haben, dass man mit einem negativen Deckungsbeitrag sich nur tiefer in die Grube gräbt – weil die erzielbaren Einnahmen kleiner sind als die variablen Kosten, um den Betrieb wieder am Laufen zu halten.
«Durch die Wiederholung wird das, was im Anfang nur als zufällig und möglich erschien, zu einem Wirklichen und Bestätigten», hat der Herr Hegel geschrieben. Und beschrieb damit politische Umwälzungen, die erst in der Wiederholung vom Zufall zu etwas Wirklichem würden. Marx machte daraus das bekannte Wort, dass Geschichte sich zweimal ereigne, einmal als Tragödie, dann als Farce. Gilt das auch für die Corona-Krisenbewältigung? Fast scheint es so. Wenn auch vielleicht mit umgekehrter Reihenfolge. Dass gerade jetzt, mit der absehbaren Möglichkeit, alle, die dies wollen, auch impfen zu können, der «survival oft the fittest» von rechts als Handlungsmaxime doch noch durchgepaukt werden soll? Es ist zum …
Gouverner, c’est prévoir. Das würde heisst, endlich daran zu arbeiten, den Ausweg aus der Corona-Krise als Einstieg in den Umstieg zu verstehen. Verknüpfen wir die Bewältigung der Covid-19-Krise mit Investitionen in eine grüne und soziale Zukunft! Österreich, die USA, die EU machen es vor.

Wir haben die Möglichkeit, den Weg hin zu einer Landwirtschaft mit Zukunft einzuschlagen.

Gouverner, c’est prévoir. Das heisst, Klima- und Biodiversitätskrise als zusammenhängende grösste Herausforderungen unserer Zeit endlich ernst zu nehmen. Weil die Klimaerhitzung Lebensräume für Tier- und Pflanzenarten zerstört und zu deren Aussterben führt. Und umgekehrt der Verlust der Biodiversität zur Klimaerhitzung beiträgt. Je mehr Moore, Wälder und Grünflächen verschwinden, desto weniger CO2 wird absorbiert. Und je geringer die Artenvielfalt, desto geringer unsere Anpassungsfähigkeit, etwa in der Landwirtschaft, an die Folgen der Klimaerhitzung. Darum braucht es, neben dem Ja zum CO2-Gesetz, eben auch ein doppeltes Ja für die Initiativen zur Neuausrichtung der Landwirtschaftspolitik. Mit dem Verbot synthetischer Pestizide – auch für die Importe! Und ergänzend dazu erhalten dank der Trinkwasserinitiative nur Landwirtschaftsbetriebe Subventionen, welche bei der Tierhaltung ohne Antibiotika auf Vorrat auskommen und auf Futtermittelimporte verzichten. So einfach. Und richtig.

Balthasar Glättli, Nationalrat/Präsident GRÜNE

[Dieser Text erscheint am 16.4.2021 als GRÜNE GEDANKEN ZUR WOCHE in der Wochenzeitung P.S.]