© “Algorithmic Contaminations” by derekGavey via flickr (CC BY)

In Kürze

In der Schweiz werden nach Angaben des Branchenverbands 95% aller elektronischen Geräte rezykliert – weltweit ein Spitzenwert. Dennoch ist für Heinz Böni von der Eidg. Materialprüfungsanstalt Empa klar: «Wenn wir die Gesamtumweltbelastung betrachten, dann ist die Verlängerung der Lebensdauer eines Elektronikgeräts der grösste Beitrag, den man für die Umwelt leisten kann. Elektronische Produkte haben einen grossen ökologischen Rucksack in der Herstellung. Je länger man sie brauchen kann, desto länger ist die Abschreibungszeit dieses ökologischen Rucksacks.» Und dieser Rucksack ist in der Schweiz besonders schwer: Nur wenige Länder produzieren mehr Elektroschrott als die Schweiz: In einer britischen Studie rangiert die Schweiz mit 51,5 kg jährlich je Haushalt produzierten Elektroschrotts auf Rang 4. So wurden zum Beispiel 2020 in der Schweiz von den Recyclingbetrieben mehr als 900’000 Handys verarbeitet.

 

Damit die Digitalisierung nicht zum Brandbeschleuniger der Klimakrise wird, sondern zur Chance, müssen wir die Lebensdauer elektronischer Geräte verlängern.
Balthasar Glättli, Präsident GRÜNE Schweiz

Die Lebensdauer von elektronischen Geräten wird grösser, wenn die Hardware ökologisch und reparaturfreundlich designed ist. Zentral ist aber auch die Software. Heute werden Nutzer:innen, die ihre Geräte länger benutzen oder ihre Hardware auf kreative Weise wiederverwenden möchten, oft durch eine Vielzahl an Software-Barrieren daran gehindert. Die Einschränkungen reichen vom Sperren der Hardware über technische Barrieren durch die Verwendung proprietärer Software bis hin zu rechtlichen Einschränkungen durch Softwarelizenzen und Nutzungsvereinbarungen. So verhindern Hersteller bewusst den Zugriff auf ältere Geräte und damit deren Weiter- oder Wiederverwendung.

Hinzu kommt: Indem die Kund:innen auf ihren eigenen Geräten nicht die Software installieren können, die sie möchten, besitzen sie diese letztlich auch nach dem Kauf nicht vollumfänglich. Die erwähnten Software-Barrieren verhindern somit nicht nur die Reparierfähigkeit der Geräte («Right to Repair), sondern unterhöhlen auch die Eigentumsrechte («Right to use»).

Eine nachhaltige Nutzung elektronischer Geräte setzt daher voraus, die erwähnten Software-Barrieren zu beseitigen und die volle Verfügungsgewalt der Eigentümer:innen über ihre Geräte herzustellen durch das universelle Recht, grundsätzlich auf jedem Gerät jede Software installieren und ausführen zu dürfen. Die freie Wahl von Betriebssystemen, Software und Anbietern von Online-Diensten muss ebenso gewährleistet werden wie die Interoperabilität der Geräte und deren Kompatibilität unter offenen Standards sowie die umfassende Offenlegung von Treibern, Tools und Schnittstellen unter freien Lizenzen.

In der EU hat eine breite Allianz von Digital-, Umwelt- und Konsument:innenorganisationen die Initiative ergriffen und fordern die Gesetzgebungsorgane in einem offenen Brief auf, «uns durch ein universelles Recht, jede Software auf jedem Gerät zu installieren und auszuführen, eine nachhaltigere Nutzung elektronischer Produkte und Geräte zu ermöglichen». Die Schweiz droht einmal mehr ins Hintertreffen zu geraten. Um dies zu verhindern, habe ich im Nationalrat die Motion 22.3764 «Einführung des Right to Use: Freier Zugang zu Hard- und Software als Hebel für eine nachhaltige Nutzung elektronischer Geräte» eingereicht.

Freie Softwaresysteme stellen den stärksten Hebel für mehr Klimaschutz in der Digitalisierung dar – und sind damit dringlicher denn je.