
Lieber spät als zu spät: Kriegsgewinnsteuer als Beitrag zum Wiederaufbau der Ukraine
Worum geht es?
- Der Krieg gegen die Ukraine schafft nicht nur Opfer. Sondern auch massive Kriegsgewinne.
- Schon vor einem Jahr stellte ich dazu Fragen in der Öffentlichkeit und im Parlament
- Ich reichte eine parlamentarische Initiative ein, um Kriegsgewinne besonders zu besteuern. Der Ertrag soll mithelfen, den Wiederaufbau in der Ukraine zu unterstützen.
- Am 22./23. Mai 2023 berät nun die Wirtschaftskommission (WAK-N) über die Unterstützung des Anliegens
- UPDATE 23. Mai 2023: Leider hat die Kommission meinen Vorstoss mehrheitlich zur Ablehnung empfohlen. Er kommt nun vielleicht in der Herbstsession 2023 zur Abstimmung. In einem offenen Brief fordert eine Allianz von NGO das Parlament auf, den Vorstoss doch anzunehmen. Bereits haben 6000 Personen diese Forderung unterstützt
Bald ist es ein Jahr her, dass ich im Parlament zum ersten Mal die Frage einer Windfall Tax aufgeworfen habe, also die Frage der Besteuerung der exorbitanten Gewinne, die vor allem Rohstofffirmen durch den Krieg in der Ukraine gemacht haben. Ich habe dazu auch einen Gastkommentar in der Schweiz am Wochenende geschrieben und im September 2022 im Nationalrat mit einer parlamentarischen Initiative nachgelegt.
Nun endlich, nach fast eineinhalb Jahren Krieg gegen die Ukraine, kommt meine parlamentarische Initiative am 22. Mai 2023 in die Wirtschaftskommission des Nationalrates. Die Mühlen der Bundespolitik mahlen langsam, manchmal quälend langsam. Aber besser spät als nie – zumal die Argumente für die Übergewinnsteuer gerade im Fall der Rohstofffirmen nur noch überzeugender geworden sind.

Ein paar Zahlen: Nach gemeinsamen Schätzungen der Weltbank, der EU und der UNO haben sich die voraussichtlichen Kosten für den Wiederaufbau der Ukraine – Stand März – auf 411 Milliarden Dollar summiert – Tendenz stark steigend wegen des anhaltenden zerstörerischen Raketen- und Granatenbeschusses durch Russland. Der Wiederaufbau wird immer mehr zu einer Herkulesaufgabe – für welche die Schweiz aufgrund ihrer besonderen Rolle eine besondere Verantwortung trägt: Unser Land ist die wichtigste Rohstoffdrehscheibe der Welt, über hier ansässige Konzerne laufen gemäss einer umfassenden Recherche von Public Eye 50 Prozent des weltweiten Weizenhandels, 40 Prozent des Kohlehandels und 35 Prozent des Ölhandels – beim russischen Öl sind es bis zu 80 Prozent. Die Wertschöpfung aus dem Transithandel steigt stetig – auf fast 60 Milliarden im Jahr 2021. Der Rohstoffhandel ist für das Schweizer BIP bald wichtiger als der Finanzsektor.

Das ist der Kontext, in dem die Gewinne der betreffenden Konzerne in schwindelerregende Höhen gestiegen sind: +2500% im Falle Glencores auf sage und schreibe 17 Milliarden Dollar (2022). 8.4 bzw. 7 Milliarden sind es bei Vitol und Trafigura. Und der ebenfalls in Genf ansässige Agrarhändler Cargill erzielte im Geschäftsjahr Juni 2021 bis Mai 2022 ebenfalls einen horrenden Gewinn von 6,7 Milliarden. Geradezu perverse Zahlen explodierender Gewinne in Zeiten permanent in der Ukraine explodierender russischer Granaten und Raketen. Und ein moralisches No-go – zumal die Schweiz betr. Ukrainehilfe trotz der jüngsten Zusicherungen gemäss Kieler Institut für Weltwirtschaft immer noch auf den hinteren Rängen anzutreffen ist.

Die Schweiz als aufs Eigeninteresse bedachte Nutzniesserin: Eine moralisch und humanitär unhaltbare Position, die uns zudem sattsam bekannt vorkommt – nachrichtenlose Vermögen, Fluchtgelder und Bankgeheimnis, Steueroase. Ein gutes Ende hat’s jeweils nicht genommen, die Schweizer Politik hat immer erst unter Druck reagiert und der Reputation unseres Landes damit enormen Schaden zugefügt. Und auch jetzt geraten die in der Schweiz fliessenden Milliardengewinne und die Untätigkeit der politischen Mehrheit wieder ins internationale Scheinwerferlicht: «Les tradeurs à la fête» titelte beispielsweise «Le Monde» in der Printausgabe. Und kluge Köpfe, die über den unmittelbar lockenden Gewinn blicken, weisen warnend auf das Klumpenrisiko Rohstoffhandel hin: Roger de Weck etwa, wenn er im Interview mit der NZZ sagt, dass uns der «brachiale Rohstoffhandel» wie «einst das Bankgeheimnis um die Ohren fliegen wird». Oder Gerald Hosp in der gleichen Zeitung, der den Politiker:innen rät, sich ans Bonmot Wayne Gretzkys zu halten: «Ich laufe dorthin, wo der Puck sein wird, nicht dorthin, wo er schon war.»
Untaugliche Gegenargumente des Bundesrats
Der Bundesrat indes schlägt alle Warnungen in den Wind: „Die Abgrenzung der Übergewinne ist schwierig“, schreibt er als Antwort auf meine parlamentarische Anfrage. Und: „Die Sondersteuer wäre standortschädlich“. Ein kurzsichtiger Reflex und eine kreuzfalsche Argumentation: Auch in diesem Falle ist auf längere Sicht nichts standortschädlicher als Nichtstun, als den Rohstoffhandel brachial ungeregelt zu lassen und die Gewinne ungehindert fliessen zu lassen, solange sie die anderen noch fliessen lassen. Schwierige Abgrenzung? Die EU hat’s geschafft und gemacht, in ihrem Zuge die meisten EU-Länder, und auch Grossbritannien. Der Ansatz war überall ähnlich – und ähnlich logisch: Man definiert Übergewinne als bestimmte Abweichungen von den Durchschnittsgewinnen einer gewissen Zeitspanne vor dem Ukrainekrieg. Gerade im Falle der Schweizer Rohstofffirmen ist der Zusammenhang zwischen Krieg und Gewinnentwicklung nur allzu offensichtlich. Schwierige Durchführung? Es ginge, wenn man denn wollte: «Grundsätzlich ist denkbar, die geforderte Übergewinnbesteuerung im ordentlichen Rechtsetzungsverfahren mittels Teilrevision der Bundesverfassung oder im rascheren Dringlichkeitsverfahren zu implementieren», schreibt das Finanzdepartement in einer Notiz zuhanden der Kommission.
Es ist spät für eine Windfall-Tax in der Schweiz. Aber dringender denn je. Die Kriegsgewinnsteuer ist dabei nur ein (wichtiges) Puzzleteil im grünen Bestreben, dreckigen Geschäften mit Rohstoffen einen Riegel zu schieben, bevor das – wie bei den Banken – die USA, die EU, die OECD oder die G20 machen. Es braucht – unter anderem – eine griffige Rohstoffmarktaufsicht und die Unterstellung von Anwält:innen, Treuhänder:innen und Händler:innen mit Edelmetallen unter das Geldwäschereigesetz.
Die GRÜNEN Schweiz sind bereits seit einem Jahrzehnt dran am Thema Rohstoffhandelsplatz. Weiter unten findest Du einen Überblick dazu.
Quellen
- Quellen für diesen Artikel: Public Eye, FUW, TA.
- Bemerkungen : Cargill : Geschäftsjahr Juni 2021 bis Mai 2022; Trafigura: Geschäftsjahr Oktober 2021 bis September 2022; Vitol: Gewinn erstes Halbjahr 2022 extrapoliert.