
Schweizer Asylpolitik am Scheideweg?
Schutz statt Hetze
- SVP und FDP wetteifern um die härtesten Vorschläge in der Asylpolitik. Die Mitte verhilft mehr und mehr ihrer Vorschläge zu Mehrheiten.
- In die gleiche Richtung geht es in der EU, welche mit dem gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) vor allem die Mauern der Festung Europa höher baut.
- Ausgeblendet wird dabei, dass der Umgang mit Ukraine-Flüchtlingen eine konkrete Alternative gezeigt hat. Einreise ohne Visum – und darum ohne Schlepper. Rasche Aufenthaltssicherheit, Familiennachzug und Arbeitserlaubnis. Aktiver Einbezug der Bevölkerung (die im Gegensatz zum Narrativ der Rechten durchaus hilfsbereit ist).
BILD: Erzeugt mit KI (Midjourney)
Statt Lösungen zu suchen, bewirtschaften die Rechten in der Asylpolitik Probleme. Ein prominentes Beispiel: Der untaugliche Vorschlag von FDP-Ständerätin Petra Gössi für ein Transitabkommen zur Rückschaffung abgewiesener Eritreer:innen via einen Drittstaat (Motion 23.4440). Gössi lässt sich auf den ersten Blick von Rishi Sunaks Plänen zur Abschiebung von Asylsuchenden nach Ruanda inspirieren. Allerdings grenzt ihr Vorstoss sich explizit von der Idee Englands ab, ganze Asylverfahren ins Ausland zu verlagern. Ihr Vorschlag soll einzig eine Lösung zur Ausschaffung von abgewiesenen eritreischen Asylsuchenden bieten. Aktuell sind dies weniger als 300 Personen von den total etwa 30.000 Eritreern, die sich derzeit in der Schweiz aufhalten. Seit Jahren schon weigert sich der Diktator Afewerki, Eritreer:innen ins Land zurückzunehmen, die nicht freiwillig zurückkehren wollen. Er fürchtet wohl eine Unterstützung der Opposition im eigenen Land. Der Grundsatz, dass Eritrea nur freiwillig Rückkehrende zurücknimmt, gilt ganz generell. Es macht also keinen Unterschied, ob die Abgewiesenen temporär in einen Drittstaat ausgeflogen werden.
Fazit: Selbst wenn der – sicher teuer zu entschädigende – Aufenthalt in einem noch zu findenden Transitstaat ein paar Wochen dauern würde statt der 72 Stunden, welche im Transitabkommen mit Senegal gegolten hätten, das Anfang 2000er Jahre geplant war und dann scheiterte: am Schluss müsste die Schweiz die Betroffenen also wieder zurücknehmen.
Gössis Vorschlag macht zwar viel Lärm, er wäre in der Umsetzung kostspielig, aber untauglich. Viel Lärm… um nichts.

Welche Zukunft für die Ukrainer:innen?
Abschreckung funktioniert nicht. Das zeigen die letzten Jahrzehnte. Die Flüchtlingszahlen sind erstaunlich konstant. Steigen tun sie temporär in der Folge von Konflikten wie dem Bürgerkrieg in Syrien oder Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine. Gerade der Ukraine-Konflikt hat aber auch gezeigt, was funktioniert: Schutz statt Hetze. Die Ukraine-Flüchtlinge konnten ohne Schlepper einreisen, weil sie kein Visum brauchten. Und die Schweizer Bevölkerung half mit, die nötigen Plätze zur Verfügung zu stellen – die Behörden alleine wären überfordert gewesen. In Rekordzeit wurde erstmals die S-Bewilligung aktiviert, koordiniert mit den EU-Ländern. Erste Anpassungen des Status S erfolgten rasch: so wurden zentrale Integrationsschritte wie der Spracherwerb gefördert. Dennoch bleibt der Status S per Definition rückkehrorientiert. Weil Russlands Krieg andauert, ist es sinnvoll, über die Einführung einer dauerhafteren Aufenthaltsbewilligung nachzudenken. Bundesrat Beat Jans hat durchblicken lassen, dass er sich vom Vorbild Österreichs inspirieren lassen möchte. Dort erhalten arbeitstätige Ukrainer:innen und ihre Familie unter bestimmten Bedingungen ein Aufenthaltsrecht. Was für die Geflüchteten ein zusätzliche Anreiz zur Aufnahme einer Erwebstätigkeit ist, gibt gleichzeitig den Arbeitgeber:innen die Sicherheit, dass sie ihre neuen Mitarbeitenden nicht nach wenigen Monaten wieder verlieren könnten.
Wenn allerdings die Anstellung über ein Bleiberecht entscheidet, darf der Zugang zur Arbeit nicht behindert werden und muss für alle gleich ist. Viele Flüchtlinge aus der Ukraine sind Frauen mit Kindern. Sie hatten in der Ukraine meist gearbeitet. Warum arbeiten sie nicht auch hier? Die ersten Hürden sind die Sprach und die Anerkennung der Diplome. Aber auch danach fehlen oft bezahlbare Betreuungsangebote für die Kinder. Vor diesem Hintergrund ist die Steigerung der Erwerbsquote von 10% auf fast einen Viertel bereits erstaunlich. Das Ziel der Behörden, die Erwerbsquote der Ukrainer:innen bis Ende Jahr auf 40% anzuheben, wird nur erreichbar sein, wenn es auch bei der Kinderbetreuung systematisch vorwärts geht.
FAZIT: es gibt durchaus grosse Herausforderungen. Ein pragmatischer Lösungs-Ansatz sollte effektiv evaluieren, was zur Lösung welcher Probleme funktioniert – und nicht auf Politiken setzen, welche die letzten Jahre und Jahrzehnte scheiterten.
HINWEIS: Dieser Beitrag basiert ursprünglich auf einem Text von Delphine Klopfenstein, den ich redigiert und ausgebaut habe.