Fracking, verschärfte Urheberrechte, geringe Verbraucherschutzstandards für Lebensmittel, fallende Preise in der Landwirtschaft, Ausbau der Internet-Überwachung und Klagen von Unternehmen gegen den Staat: Das wären die Folgen des transatlantischen Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA (TTIP).
Darum geht’s
Das TTIP ist ein zukünftiges Abkommen zwischen der EU und den USA, das den internationalen Handel zwischen den beiden Partnern erleichtern soll. Der geplante gemeinsame Wirtschaftsraum würde rund 800 Millionen Verbraucher umfassen. Hart verhandelt wird vor allem darüber, inwieweit Zölle, Sicherheitsstandards und Wettbewerbsregeln angepasst werden sollen.
Details zu den Verhandlungen sind nun trotz Geheimhaltung an die Öffentlichkeit gelangt und werden zur Zeit von verschiedenen Seiten stark kritisiert. Gewisse rechtliche Verpflichtungen entsprechen grundsätzlich nicht den EU-Normen.
ttip-logo
Kritische Punkte
Wettbewerb: Das dominierende Ziel des TTIP ist die Wettbewerbsfähigkeit und somit die Gewinnmaximierung. Soziale und ökologische Standards werden irrelevant.
Investitionsschutz: Unternehmen erhalten die Möglichkeit, Staaten vor internationalen Schiedsgerichten auf einen Verstoss gegen das Abkommen zu verklagen. Staatliche Regulierungsstandards hätten kaum mehr Chancen. Bereits Realität ist die Klage von Vattenfall gegen Deutschland wegen dem geplanten Atomausstieg.
Umweltschutz:

  • Giftige Stoffe/Chemikalien: In der EU muss die Industrie nachweisen, dass Chemikalien unschädlich sind, in den USA liegt die Beweislast für schädliche Chemikalien bei den öffentlichen Behörden.
  • Emissionsintensität von Kraftstoffen: Die Kraftstoffrichtlinie der EU will bis 2020 die Emissionsintensität von Kraftstoffen um 6 Prozent senken. Die US-Industrie protestiert gegen die EU-Richtlinie.
  • Ökodesign: In der EU gibt es eine umfangreiche Richtlinie für die Festlegung von Mindestanforderungen zur umweltgerechten Gestaltung energieverbrauchsrelevanter Produkte. Ihre Weiterentwicklung ist durch TTIP gefährdet.
  • Fracking: US-Energieunternehmen sind sehr erfahren im umwelt- und klimaschädlichen Fracking. Ihnen würde sich in Europa ein grosser Markt öffnen.

Verbraucherschutz: Verbraucherschutzstandards für Lebensmittel sind in der EU sehr umfassend im Gegensatz dazu sind aber zum Beispiel in den USA Hormon- und Klonfleisch erlaubt. Zudem gelten in den USA keine speziellen Regeln bzgl. Gentechnik. Hühnchen dürfen mit verschiedenen Chlorstoffen gewaschen werden, was in der EU verboten ist.
Urheberrechte: Urheberrechte werden noch strikter geregelt. Doch gerade für bestimmte Forschungsbereiche (Medizin, Saatgut etc.) gibt es gute Gründe, geistiges Eigentum der Gemeinschaft zugänglich zu machen.
Gesellschaftliche Standards: Die Liberalisierung wird auch in öffentlichen Dienstleistungen und in kulturellen Angeboten Einzug halten. Rentabilität entscheidet dann über den Auftrag der öffentlichen Hand und nicht mehr soziale oder ökologische Standards.
Kaum Wohlfahrtsgewinne: Prognosen der EU sagen ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von etwa 0.5-1 Prozent voraus – allerdings nur bis 2027. Der ökonomische Wohlstandsgewinn ist also relativ niedrig.
Fehlende Transparenz
Da die Verhandlungen zum TTIP der Geheimhaltung unterliegen, ist das Mandat der Verhandlungspartner weder öffentlich noch durch das Europaparlament demokratisch legitimiert. Zudem ist gemäss Corporate Europe Obeservatory bekannt, dass zahlreiche wirtschaftliche Lobby-Gruppen an den Verhandlungsvorbereitungen beteiligt waren, jedoch keine Umweltorganisationen, Gewerkschaften oder Verbraucherschutzorganisation. Dieser Punkt wird von den eben genannten und von politischen Parteien stark kritisiert. Gestern (15. Juli) wurde von EU-Handelskommissar Karel de Gucht mehr Transparenz versprochen (> NZZ-Artikel).
TTIP und die Schweiz
Im November 2013 fand ein Treffen zwischen Vertretern der EFTA (Schweiz, Norwegen, Island, Liechtenstein) und dem US-Verhandlungsleiter statt. Der Dialog soll fortgesetzt werden. Das Seco betrachtet derzeit die ökonomischen Auswirkungen auf die Schweiz nur aus Sicht von Wettbewerbsnachteilen (Quelle: Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2013, S. 1280-1282). Das Risiko für Umwelt-, Konsumenten- und Sozialstandards in der Schweiz finden derzeit noch keine Beachtung beim Bundesrat. Deshalb hat die Grüne Fraktion im Mai 2014 sowohl eine Interpellation zur Frage «Auswirkungen von TTIP/TAFTA auf die Schweiz?» als auch ein Postulat eingereicht.
Weiterführende Informationen
Stellungnahmen der Grünen:
> Grüne Schweiz
> Grüne Deutschland
> Grüne Österreich
Andere:
> Dokumentation der Heinrich Böll Stiftung
> TTIP-Leak
> Europäische Bürgerinitiative gegen das TTIP