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Grüne Gedanken zur Woche (im P.S. 18. Mai 2007)
Ein politisches Erdbeben war es aus meinem Blickwinkel nicht, das die SVP ausgelöst hat mit ihrem unerwarteten Entscheid, den Ständeratskandidaten auszuwechseln. Vielmehr war es eine klare strategische Entscheidung, die wohl nicht nur geprägt wurde vom vordergründig angebrachten Argument, dass Geiger zu wenig gezogen habe in den vergangenen Monaten. Ich denke, dass ebenso sehr die Erfahrung der Regierungsratswahlen die SVP mit beeinflusst haben. Wenn die Vertreter des deutlich grösseren Partners auf einem Viererticket am Schluss am Schwanz einlaufen, sagt das durchaus etwas auch über die gelebte Zusammenarbeit der ParteisympathisantInnen von FDP und SVP aus. Und ist in dem Sinne auch als Warnschuss für den Herbst ernst zu nehmen. Dass am Schluss Maurer gewinnen kann, ist durchaus möglich. Sicher allerdings ist es keineswegs. Denn er wird auch polarisieren. Und damit die AnhängerInnen seiner prägnantesten GegnerInnen, als Grüne und Linke, mobilisieren. Zu Recht.
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Und Sorgen hat Fiala andere. Nämlich ob die Maske des eigenen Ständeratskandidaten intakt bleibt. Denn klar ist wohl dies: Ob er nun mit Ueli Maurer im Ticket oder solo auftritt, Gutzwiller wird sich als liberaler Stadt-Mittemensch verkaufen wollen. Und betreibt damit so oder so einen Etikettenschwindel erster Güte. Denn als Fraktionspräsident der FDP ist er der Architekt der faktisch engen politischen FDP-SVP Allianz auf Bundesebene. Da kann Herr Pelli noch so sehr von den urbanen weiblichen WählerInnenschichten schwärmen. Die Politik, die sein Fraktionspräsident in Bern macht, ist eine andere. Die Politik, die Gutzwiller in Bern macht, ist die Mehrheitsbeschaffung für SVP-Inhalte. Also hören wir bitte auf, von geringerem Übel zu sprechen. Jede links-liberale, jede Mitte-Stimme für Gutzi ist ein Grundlagenirrtum.
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Wir Grünen können nur hoffen, dass mit der Teilnahme von Maurer an den Ständeratswahlen die Zeit der Wölfe im Schafspelz vorbei ist. Dass Klartext gesprochen wird. Oder wie unser Ständeratskandidat Daniel Vischer es formulierte: «Im Wahlkampf geht es darum dass alle Kandidierenden Farbe bekennen müssen! Niemand soll am Schluss meinen, er können von WählerInnen gewählt werden, die sie/er gar nicht vertritt.» Die neue Konstellation wird hierzu nur positiv beitragen. Klärung schaffen. Auch über die Haltungen in der sogenannten Mitte, die ja in Bern zu konkreten Fragen auch bloss ja oder nein stimmen kann. So wird eine echte Auswahl ermöglicht. Zwischen einerseits einem echt grün-roten Duo Vischer-Galladé, die für die Interessen eines Kantons Zürich stehen, der auch ausserhalb der Stadtzürcher Grenzen durchaus seine urbanen Qualitäten hat, aber gleichzeitig darauf angewiesen ist, dass seine Natur und die Erholungsräume bewahrt bleiben. Und andererseits den faktischen Vertretern eines Rechtsbündnisses, das höchstens aus parteitaktischen Plänkeleien allenfalls nicht offen als Ticket auftreten wird – aber faktisch so oder so für die ungeteilte rechte Standesstimme steht. Mit Ökoignoranz und sozialer Kälte (genannt: Selbstverantwortung und Missbrauchsbekämpfung), mit Ausländerfeindlichkeit und Steuersenkungsfetischismus.
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Atomausstieg, Energiewende, Klimaschutz, zukunftsfähiger Umbau statt unsozialer Abbau der Sozialwerke, gesellschaftlicher Zusammenhalt in der Vielfalt, Chancengerechtigkeit in Ausbildung und Beruf für junge Menschen gleich mit welchem Pass und Namen, und Verteidigung der individuellen Freiheiten gegen die Neuauflage des Schnüffelstaats und gegen neuzwinglianische Sittenmandate… diese von Daniel Vischer angesprochenen und von den Spitzenkandidierenden im Sechserticket am Kopf der Grünen Nationalratsliste auch kompetent vertretenen Themen für den Wahlherbst können, so meine ich, eine starke Klammer bilden für einen engagierten, inhaltlichen Wahlkampf. Dass die Grünen die Kraft haben, ihn nochmals so engagiert zu führen wie diesen Frühling, hoffe ich. Der starke Aufmarsch mit 150 Mitgliedern an unserer MV waren in diesem Sinne ein gutes Signal. Dass die oben genannten Themenschwerpunkte durchaus auch sinnvolle Schnittmengen mit der SP aufweisen, zeigt auch, dass die Herausforderung eines gemeinsamen Ständeratswahlkampfs Sinn macht. Aus meiner persönlichen Sicht selbst dann, wenn wir dafür eine arithmetisch suboptimale Listenverbindung eingehen sollten.
Balthasar Glättli