© Steffen Prößdorf via wikimedia.org (CC BY-SA)

In Kürze

Dieser Text erschien als Grüne Gedanken zur Woche in der Wochenzeitung P.S. vom 6.9.2024.

Die Wahlen in Sachsen und Thüringen waren ein Schock mit Ansage. 85 Jahre nach dem Beginn des zweiten Weltkriegs wird eine gesichert rechtsextremistische Partei, die AfD, gar stärkste Partei in Thüringen. Hält die Brandmauer gegen rechts? Die nächsten Tage werden es zeigen.

Wir erinnern uns an düstere Zeiten. Die NSDAP kam ja nicht etwa an die Macht, weil die Nazis im November 1932 eine absolute Mehrheit errungen hätten. Nein, sie hatte im Vergleich zum März mit 33% gar vier Prozent verloren. Göring nannte 1932 in seinem Tagebuch ein «verlorenes Jahr». Dann ernannte Hindenburg Hitler zum Reichskanzler, in einem Kabinett, mit einer kleinen Nazi-Minderheit. Die Mehrheit stellten Konservative und Zentrum. «In zwei Monaten haben wir Hitler in die Ecke gedrückt, dass er quietscht» soll der frühere Reichskanzler von Papen gesagt haben. Eine fatale Fehleinschätzung.

Ein grosser politischer Fehler: Rechtsaussen wie Blocher oder sogar Rechtsextreme wie die AfD mit einer Machtbeteiligung einbinden und in die Ecke drücken zu wollen.

Mindestens so gravierend aber der zweite Fehler: Zu versuchen, den Rechten die politische Lufthoheit zu entreissen, indem man deren Politik übernimmt. Genau dies aber ist erneut auch hier gang und gäbe.

Beispiel Europapolitik. Schlug Mitte-Pfister im August noch wage «die Einführung einer Schutzklausel vor, die es der Schweiz erlaubt, die Zuwanderung aus der EU zu begrenzen, wenn bestimmte Schwellenwerte überschritten werden» und ging damit in den Worten der NZZ bereits klar auf «Konfrontationskurs mit der EU», doppelt FDP-Burkart am Montag in einem Interview nach, das SVP-Anbiederung pur ist.

Wer wie Burkart und Pfister der SVP nach dem Mund redet, muss sich über deren Erfolge nicht wundern.
Balthasar Glättli, Nationalrat GRÜNE

Zuerst wirft Burkart Pfister vor, ein Weichei zu sein, um dann ebenso unbestimmt «eine griffige Schutzklausel» zu fordern. Dann kommt der Evergreen Rainer Eichenbergers und der SVP: die Zuwanderungsabgabe. Dass sie mit der Personenfreizügigkeit nicht vereinbar ist, kontert Burkart mit einem Ablenkungsmanöver im Asylbereich.

Er stellt den Schutz genau jener Menschen in Frage, die wohl alle spontan als «echte Flüchtlinge» bezeichnen würden: Menschen, die aus Krieg oder Bürgerkrieg flüchten. Die erhalten nämlich in der Schweiz nicht Asyl, sondern nur eine «vorläufige Aufnahme», und genau sie schon heute viel schlechter gestellt als Schweizer:innen und anerkannte Flüchtlinge.

Fakt ist: unser Asylwesen ist für Schutzbedürftige da. Drei Viertel der materiellen Entscheidungen im Schweizer Asylverfahren ergaben einen Schutzbedarf. Ein Drittel bis zur Hälfte der Schweizer Asylgesuche betreffen Kinder und Minderjährige. Und die Schweiz ist übrigens auch Europameisterin bei den Rückschaffungen.

Statt diese Fakten nach vorn zu stellen, reden Burkart und Pfister der SVP nach dem Mund. Am Schluss gewinnt das Original. Und der politische Spielraum für sachgerechte, menschliche und liberale Lösungen gerade im Asylbereich wird von Tag zu Tag kleiner.

Balthasar Glättli, Präsident GRÜNE