blogpost_pszeitung_squareDie Grünen sind endgültig in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Alle Parteien sprechen vom Umweltschutz. Und die Strategen suchen vor den nächsten Nationalratswahlen verzweifelt auf dem Estrich nach den Grünen Mäntelis, welche sie Ende der 80er nach kurzem intensivem Gebrauch – wir erinnern uns an Waldsterben und Tschernobyl – bald wieder eingemottet hatten.
Auf kantonaler Ebene sind vor allem symbolische Handlungen gefragt. So beschränkte sich das Öko-Engagement des Freisinns letztes Jahr auf die Einladung zu Al Gores «An inconvenient truth». Wenn’s allerdings konkret wird, ist nicht nur dem freisinnigen Regierungsratskandidaten der schnittige Porsche näher als das Velo.
Auch die Zürcher SVP hat das letztes Jahr im Hausblatt «Der Zürcher Bote» auf der Frontseite für sich das neue Label «aktivgrün» erfunden – und ebenso schnell wieder vergessen. Sie hatte wohl Angst, dass die angebliche Geschichte der SVP als erster grüner Partei auch Konsequenzen für die Zukunft haben könnte. Und das wäre unangebracht. Denn heute wird weiter gedacht, vorwärts geplant. Heute feiert die ganze rechte Ratshälfte samt Mitteparteien das Hohelied des Strassenbaus. Wenn die Autobahn winkt und die Stadttunnels, dann steigen selbst die sonst allgegenwärtigen Sparapostel in die Spendierhosen. 24 Milliarden für neuen Beton – «tärfs na es bitzeli mee sii?». Klima hin oder her.
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Auf den ersten Blick ernsthafter hat sich die CVP Schweiz ins ökologische Wahljahr gestürzt. Der Titel des am Parteitag veröffentlichten «Wahlvertrags 2007» suggeriert Verbindlichkeit statt warme Luft. Nur schon der magere Umfang von sechs Seiten muss vermuten lassen, dass hier harte Facts statt weicher Formulierungen zu finden sind. Nun denn, wie steht es mit der ökologischen Ernsthaftigkeit?
Freuen können sich die Jungen Grünen. Ihre Stopp-Offroader Initiative hat die Unterstützung der CVP auf sicher. «Wir stehen für eine Erhöhung der Importzölle für „Benzinfresser“ und Fahrzeuge ohne Russpartikelfilter ein. Mit entsprechenden Übergangsfristen ist gänzlich auf die Zulassung solcher Fahrzeuge zu verzichten…» versichern uns die Bewahrer der Schöpfung.
Freuen kann sich Peter Bodenmann. Dem Walliser Minergie-Prediger wird vertraglich zugesichert: «Wir wollen den Minergie und den Minergie P Standard mit entsprechenden Übergangsfristen verbindlich festlegen. Ölheizungen bei Neubauten sind zudem nur noch im Ausnahmefall zu genehmigen.»
Freuen kann sich auch der Grüne Energieexperte Jürg Nipkow, Präsident der Schweizerischen Agentur für Energieeffizienz (S.A.F.E.). Denn «mittelfristig ist auf eine Zulassung von Geräten, welche nicht zur verbrauchsarmen Ernergieklasse A gehören gänzlich zu verzichten.»
Meine persönliche Freude allerdings trübt etwas der Umstand, dass die CVP die Option Atomenergie offen lässt. Und erst noch verkürzte Bewilligungsverfahren anstrebt, frei nach dem Motto: Warum denn nur zur Gaskraft schweifen, wenn das AKW liegt so nah? Aber seit wann denn muss die CVP Programme schreiben, die zu meiner Aufmunterung beitragen…
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Eine Wendung allerdings, die fällt im angegrünten Wahlvertrag verdächtig häufig auf. Alles hat «mit entsprechenden Übergangsfristen» oder «mittelfristig» vor sich zu gehen. Einem bösartigen Menschen wie mir kommt da doch der Verdacht, dass die CVP im Parlament die entsprechende Übergangsfrist bis zu den Wahlen 2011 abwarten wird, um dann mittelfristig zu prüfen, ob sich die Umweltthemen weiterhin so gut verkaufen, dass mit einer entsprechenden Übergangsfrist konkrete Vorstösse lanciert werden müssten. Und selbstverständlich, würden diese Vorstösse – pacta servanda sunt – eine angemessene mittelfristige Übergangsfrist bis zur Umsetzung beeinhalten… Versprochen?!
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Nach einigen in den Medien aufgeschnappten Reaktionen des nicht-präsidialen Teils der CVP, werde ich zudem den Eindruck nicht ganz los, dass die CVP eine ganz besondere Sorte von Präsident hat. Im Bund wie auch im Kanton Zürich. Während üblicherweise ein Präsident das kommuniziert, was der allgemeinen Parteimeinung entspricht, ist’s hier grad umgekehrt. Der Präsident sagt das, was den Nichtwählern auch noch gefallen könnte – und die Fraktionen stimmen dann doch in den allermeisten Fällen wie gehabt.
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Was soll’s, könnte man mir entgegnen. Kann der Glättli nichts als nörgeln? Ist der grüne Trend auch wieder nicht recht? Ja. So ist’s. Als Ko-Präsident der Grünen macht mir der doppelt grüne Trend keine Freude. Im Gegenteil. Das macht mir Angst. Einerseits ist da der Medienhype, der die eigene Basis durchaus allzu sehr in der Gewissheit wiegen könnte, dass ja sowieso alles rund läuft: Wahlkampf – wozu? Der Trend zu grünen Themen macht das ja von alleine.
Andererseits ist da die nicht ganz von der Hand zu weisende Tendenz, dass Grüne WählerInnen und Wähler zum Glück keine ideologisch gläubigen Menschen sind. Das ist gut so. Aber es führt sie in Versuchung, den vermeintlichen Spatz in der Hand den ach so prinzipienfesten (sturen) Grünen vorzuziehen. Sie wollen ja die Umwelt schützen, nicht die grünen Parlamentssitze.
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Dass auch in anderen und selbst in bürgerlichen Parteien einzelne ernsthaft um den Umweltschutz besorgte Menschen politisieren, ist allerdings auch mir klar. Und dass wer dauernd recht zu haben meint, dabei aber in Ehren untergeht, in der Politik auch nicht viel bewirkt, ist ebenso wahr. Nicht dennoch, nein gerade eben deshalb gilt diesen Frühling wie bei den Herbstwahlen die Devise: echt Grün wählen. Wählt den Frosch in der Hand. Denn nur so werden auch die grünen Kräfte in anderen Parteien nachhaltig gefordert und gestärkt. Grüne Hoffnungswahl, das heisst nicht Bundesratsratsambitionen frönen. Hoffnungswahl heisst, diejenigen Kräfte zu stärken, deren Erfolg die Mitte der Windfahnen dazu bringen wird, den guten Teil ihrer eigenen Versprechen zu halten.