Haltet den Dieb
Umso mehr wundert mich darum der doch recht verhaltene Wahlkampf der SP für den Regierungsrat. Natürlich: Regine Aeppli und Markus Notter sind sicher und verdient gewählt – wenn alle, die dies meinen, auch noch wählen gehen. Zugegeben: Ein zu starkes Eingehen auf den von rechts angezettelten Lagerwahlkampf könnte hier kontraproduktiv sein. Dennoch: Auch zu viel Gelassenheit (oder ist es Resignation?) kann gefährlich sein! Immerhin steht der einzig wirkliche Coup der SP in der letzten Legislatur auf dem Spiel. Ein Coup, der zugestanden vielen Grünen, auch mir selbst, damals Mühe machte. Ich meine die strategische Unterstützung von Hans Hollenstein gegen Toni Bortoluzzi. Und damit die verdiente Reduzierung der SVP auf einen Regierungsratssitz. Gehen wir wählen, verhindern wir den Backlash!
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Diesen Montag hatte ich das nette Vergnügen, mit zwei anderen Parteipräsidenten einen Radio-Talk halten zu dürfen. Was mich bei solchen Debatten immer wieder erstaunt, ist die selbst für mich erstaunliche Kompetenz und Durchsetzungsfähigkeit der rot-grünen Politiker. Nein, ich ergehe mich hier nicht in verstecktem Eigenlob, bewahre! Ich beziehe mich nur auf das offene Zugeständnis der SVP auch in Maurers oder Mörgelis Leitartikeln, dass eine grüne (oder rote) Politikerin (oder Politiker) halt einfach fast das Doppelte eines Rechten oder Netten Wert ist. Wie ich darauf komme? Do the Math.
Sagt Herr Maurer, ja, der Schweiz schweizerischster Hanf-Puur selbst, sinngemäss: Das ganze brutale Ausgabenwachstum der Schweiz geht offenbar auf die rot-grüne Mehrheit im National- und Ständerat zurück (so geschrieben im SVP-Parteiblatt «Zürcher Bote»). Man rechne: SP, A gauche toute und Grüne haben zusammen 69 Sitze im 200köpfigen Nationalrat und neun im 46köpfigen Ständerat. Da meine ich: das waren vielleicht doch nicht einfach nur die Rotenamp;Co., da haben sie vielleicht etwas zu viel Grünen Türken geraucht, lieber Herr Maurer.
Einspruch Verteidiger Maurer, nein, nicht der Herr Lardelli, sondern dessen Gegenpart: es gibt ja noch die direkte Demokratie. Recht hat er natürlich. Wenn man zum Beispiel an jene sozialistische Volksmehrheit denkt, welche das Steuergeschenkpaket an die Reichen versenkt und damit die Schweiz vor einem Finanzierungsloch von 4 Milliarden bewahrt hat…
Sagt mein montäglicher Kantonalpräsidentengegenpart von der SVP, Hansjörg Frei, und ich muss ihn – er hat noch nicht den Bekanntheitsgrad von Zottel – vielleicht noch beruflich vorstellen: er arbeitete bei einer Versicherung, also Zahlen dürften ihm nicht ganz unbekannt sein. Sagt er also frank und frei: Die dauernde Anspruchshaltung der Rot-Grünen ist dafür verantwortlich, dass der Kanton Zürich über Jahre in die roten Zahlen gerutscht ist. Ich danke. Und staune. Denn freilich, die von ihm an diesem Abend gegenüber den rot-grünen Zürcher KantonsparlamentarierInnen bewiesene und mit Verve wiederholte Zuversicht kann ich auch als Daueroptimist und durchaus quasi «kollektiv Selbstverliebter» Grün-Roter («wir haben die besseren Leute») nicht teilen. Zu oft und zu brutal mussten wir in der vergangenen Legislatur erkennen, dass 65 von 180 Sitzen von SP und Grünen nurmehr das Sterben in Schönheit übrig lassen, umso mehr, wenn sich – wie in wichtigen strategischen Fragen, ich denke zum Beispiel an den Strassenbau- ähm den Verkehrsrichtplan – auch die ach so vernünftige Mitte von der CVP auf ihre offenbar fest betonierten «bürgerlichen Wurzeln» besinnt.
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Ebenso gut rechnen können die bürgerlichen Zahlen-Zauberer, wenn es um Finanzpolitik und Steuern geht. Sagt Herr Frei nach Bekanntgabe der guten Rechnungsergebnisse: Ronald Reagan hatte trotzdem recht. Er sagt es natürlich nicht so, sagt auch nicht «Laffer Kurve – olé», sondern behauptet, nun habe sich gezeigt, was die SVP immer behauptete, nämlich tieferer Steuersatz bringt höheren Steuerertrag. Der Finanzdirektor habe zu defensiv budgetiert und feiere das nun als Erfolg. Dazu nur soviel, sorry für die technischen Details: die positive Abweichungen von 120 Millionen im Finanzdepartement geht praktisch ausschliesslich auf die (ach so bösen) direkten Bundessteuern zurück. Die wir kantonal auch mit brutalsten Steuersenkungsorgie nicht ändern. Und selbst wenn dem nicht so wäre: im Vergleich zu den seit den 80er Jahren mit Steuersenkungen an die Reichen verschenkten über 20 Steuerprozent wären auch 120 Millionen Mehreinnahmen ein Furz. So bleibt ein schaler Geschmack zurück: Die rechtsbürgerlichen Finanzpolitiker kommen mir im ernst grad so vor, wie jene Taschendiebe, die einem zuerst die Taschen leeren, und dann laut gestikulierend „haltet den Dieb“ rufen – um sich stillschweigend abzusetzen.
P.S.: Etwas im Gegensatz zu Frei steht auch die Medienmitteilung seiner SVP, betitelt «Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer». Aber lassen wir das. Klimafragen waren ja noch nie die Stärke von der SVP.
Balthasar Glättli
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