SWISS GREEN BRIEFING 30.1.2023

LIebe Leser:innen

Der vergangene Samstag hat die Haupt-Opposition der Schweizer Politik deutlich aufgezeigt. Lösungen – oder Sündenbockpolitik. Optimismus – oder Angstmacherei. Grün – oder SVP. Beiden Parteien, GRÜNE (vgl. Medienmitteilungund SVP, führten letzten Samstag ihre Delegiertenversammlungen durch. Meine Präsidialrede findest Du online, auch als Video. Der Kernpunkt: Die Lösungen existieren – was fehlt, ist der politische Wille! Oder mit Seneca auf den Punkt gebracht: 

Nicht weil es schwer ist, wagen wir es nicht; sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwer.

Beschlossen haben wir GRÜNE auch mit 109:4 Stimmen die Mitlancierung der Europa-Initiative, die Bewegung in den Stillstand bringen will. Und wir haben unser Wahlprogramm verabschiedet: die grüne Agenda 2023-2027 orientiert sich mit ihren fünf Kapiteln an den Zielen der nachhaltigen Entwicklung (den Sustainable Development Goals, kurz SDG).
Für mich persönlich war dieser Samstag ein äusserst ermutigender Start ins Wahljahr. In allen inhaltlich umstrittenen Fragen hat das Präsidium eine grosse bis überwältigende Mehrheit hinter sich versammeln können. Gleichzeitig prägten die Mitglieder mit über 1200 Rückmeldungen die Agenda 2023-2027 von unten mit. Wir GRÜNEN bringen Bewegung in die Politik. 

 
Gute Lektüre des Briefings wünsche ich!
Balthasar Glättli

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Die GRÜNEN positionieren sich mit der Mit-Lancierung der Europa-Initiative als Kraft, die Bewegung ins Dossier bringen will.
Was ist passiert? Der Bundesrat hat bekanntlich die Verhandlungen mit der EU über ein Rahmenabkommen im Frühling 2021 ohne Plan B abgebrochen. Auf Initiative von Europarechtlern begann die Operation Libero mit Sondierungsgesprächen zu einer Europa-Initiative. Die GRÜNEN zeigten sich von allen politischen Parteien am klarsten interessiert. Bereits Anfang 2022 erneuerten die GRÜNEN ihre Europapolitik mit einer Resolution. Nach internen Diskussionen wurde nun formell die Mitlancierung beschlossen. 
Was bedeutet dies? Die GRÜNEN haben sich damit klar als Partei positioniert, welche die europäische Integration voranbringen will auf der Basis von inhaltlichen Zielen. Wir versteifen uns so nicht auf einen bestimmten institutionellen Rahmen. Vielmehr setzen wir inhaltliche Ziele – und verankern gleichzeitig den Lohnschutz erstmals auf Verfassungsebene.
Warum ist dies wichtig? Alle Bundesratsparteien und auch die glp setzen in der Europafrage auf Parlament und Bundesrat. Konkret also: auf den Stillstand. Denn Anläufe für ein Europagesetz sind im Parlament gescheitert. Und der Bundesrat beweist im Dossier auch Monate nach dem Verhandlungsabbrich keine Führungsstärke. Es gilt nun, die Debatte wieder in die Bevölkerung zu tragen. Und Druck auf die offizielle Politik zu machen. Denn Antworten auf die grossen Fragen, Klimaschutz, Digitalisierung, oder auch eine Aussenpolitik auf der Basis von Grundrechten, haben erst im europäischen Kontext auch wirklich eine prägende Wirkung. Einer der prägenden Köpfe hinter der Initiative ist  Prof. Thomas Cottier. In seinem Aufsatz erklärt Thomas Cottier, warum die Europa-Initiative aus seiner Sicht notwendig ist

Rohstoffhändler und Schiffahrtgesellschaften machen massive Kriegsgewinne… und sollen dank der Tonnagetax mit einer Sonder-Dumpingsteuer belohnt werden. 
Worum geht’s? Dank den Rekordgewinnen der letzten drei Krisen- und Kriegsjahre trägt der Rohstoffsektor bereits 8% zum Schweizer Bruttoinlandprodukt bei: fast so viel wie der Finanzplatz. Dies währenddem in der Schweiz die Inflation anzieht und die Nachwehen der Pandemie sowie Putins Angriffskrieg auf die Ukraine weltweit Rezessionsängste wecken. Aber wo die einen zahlen, profitieren die andern: das Geschäft der Öl-, Kohle-, und Nahrungsmittelhändler läuft auf Rekordniveau.
Warum ist das wichtig? Aktuell findet in der Schweiz eine verquere Debatte statt darüber, ob die Schweiz direkt oder zumindest indirekt Waffenlieferungen an die Ukraine freigeben soll. Diese Debatte nützt vor allem der Schweizer Rüstungsindustrie – bereits lädt Bundesrat Parmelin die Waffen-Branche zum Gespräch. Vor allem aber lenkt sie ab vom eigentlichen Hebel, mit dem die Schweiz die Ukraine unterstützen und Russland stoppen könnte, ohne die Neutralität zu brechen: 80% der russischen Rohstoffe werden via Schweiz gehandelt. Ohne diese Finanzierung würden die Kriegsanstrengungen rasch zusammenbrechen. In diesem Kontext aktueller denn je ist darum meine letztjährige Forderung nach einer Kriegsgewinnsteuer und das grüne Anliegen einer Rohstoffmarkt-Aufsicht – beides Forderungen, welche auch PublicEye mit einem lesenswerten Bericht vertieft
Was kommt als nächstes? Die bürgerliche Mehrheit in Bundesrat und Parlament plant statt einer Kriegsgewinnsteuer das Gegenteil. Mit einer Pauschalsteuer für die Schifffahrtsbranche (Tonnage-Tax) sollen die Branche nach Wahl neu nicht mehr nach Gewinn, sondern die Ladekapazitäten einzelner Schiffe besteuert werden. Wir GRÜNE wehren uns (hier mein Votum im Rat) gegen ein branchenspezifisches Steuerdumping für die Reedereien wie MSC, welche nicht nur massive Klimasünder sind, sondern seit der Corona-Zeit zur weltweit profitabelsten Branche wurden. Und gegen ein Steuerschlupfloch für die Rohstoffkonzerne. Gegenüber Sonntagsblick haben Brancheninsider schon letztes Jahr bestätigt: Die Tonnage-Tax ist eine der einfachsten Möglichkeiten für Rohstoffkonzerne, die Steuerlast zu verringern

Links

KLIMAGERECHTIGKEIT. Klimaschutz und Gerechtigkeit gehören zusammen. Das US-Onlinemagazin grist.org berichtet über Klimagerechtigkeit. Kritisch. Aber immer wieder lenkt grist.org auch den Blick auf Lösungen, die Klimaschutz und Gerechtigkeit zusammenbringen

LONG READ (EN).  Exposing rainforest carbon credits: why offsetting isn’t working. A Guardian investigation has found that more than 90% of the carbon offsets verified by the company Verra did not reduce deforestation – für Abonnent:innen der ZEIT auch auf deutsch verfügbar.

AGENDA. Demo gegen Dublin-Abschiebungen nach Kroatien. Am Samstag, 4. Februar 2023, 1415 Bundesplatz Bern. Worum geht’s? Bericht von Solidarité sans frontières. Und ein Protestbrief zum Ausdrucken, Unterschreiben, Abschicken.

AGENDA. Am Samstag, 30. September 2023 findet in Bern die grosse gesamtschweizerische Klimademo statt. Vor vier Jahren war das die grösste Demo seit langem. Streiche Dir das Datum bereits jetzt an in der Agenda!