Grundeinkommen: gefährliche LückeLesedauer ca. 2 Minuten

Es ist falsch, das Grundeinkommen einfach als dumme Utopie zu kritisieren, finde ich: den Grünen trat ich 1991 bei, weil das garantierte Mindesteinkommen damals als Forderung im Programm der Grünen Kanton Zürich stand. Immer wieder befasste ich mich seither mit dem Thema. Und lernte Kritiken kennen, die ernst zu nehmen sind.

Kritik eins: als linke Grüne müssen wir nicht nur für die Befreiung von der Erwerbsarbeit einstehen. Sondern ebenso für die Befreiung in der Erwerbsarbeit. Mitsprache, faire Löhne und korrekte Arbeitsbedingungen. Die InitiantInnen mögen sich verteidigen, das hätte in ihrer Initiative nicht auch noch Platz gehabt. Es fehlt aber auch in ihrer Debatte.

Kritik zwei: das bedingungslose Grundeinkommen hat ein Janusgesicht. Es kann ein emanzipatorisches Projekt sein, das Menschen vom Erwerbsarbeitszwang befreit. Und wichtige gesellschaftliche Arbeit entschädigt, welche heute nicht entlöhnt wird. Aber es kann auch ein brutal neoliberales Projekt sein. Wenn es die «Freistellung» vieler Menschen aus einer anständigen Erwerbsarbeit politisch und gesellschaftlich mehrheitsfähig macht – und so eine Wirtschaft stützt, die mit einer tendenziell abnehmenden Zahl von Angestellten immer mehr Gewinne für immer weniger Gewinner produziert. Es ist sprechend, dass einer der ersten, der ein Grundeinkommen vorgeschlagen hat, der rechte Wirtschaftstheoretiker Milton Friedman war, Vordenker der Neoliberalen und Promotor des «Nachtwächterstaats».

Nur wer im Verfassungstext auch die Methode zur Finanzierung des Grundeinkommens definiert, entgeht der Gefahr, dass statt der Befreiung des Einzelnen plötzlich ein massives Wirtschafts-Entlastungsprogramm resultiert. Eine solche Festlegung fehlt schmerzlich. Die Befürworter gehen sogar so weit, uns vorzurechnen, dass das Grundeinkommen bezahlbar sei, weil es schlicht von den Löhnen abgezogen würde. Das heisst aber: Weiterhin Arbeitszwang – einfach zu Billigstlöhnen. Und massivste indirekte Lohnsubventionen durch den Staat. Das ist nicht die linke Befreiung der Menschen und die fairere Aufteilung des gesellschaftlich produzierten Mehrwerts, von der ich (immer noch) träume.