Kinder im Gefängnis: auch hier.Lesedauer ca. 3 Minuten

In einem Beitrag in der Tribune de Genève erinnert die Genfer Grüne Nationalrätin Lisa Mazzone daran, dass nicht nur die USA Kinder inhaftiert. Und meint: Was uns in den USA unter Trump menschlich unerträglich erscheint, ist es nicht weniger in unseren Breitengraden. Ich habe den Kommentar auf deutsch übersetzt:

Kinder werden inhaftiert, obwohl sie kein Verbrechen begangen haben. Was uns in den USA unter Trump menschlich unerträglich erscheint, ist es nicht weniger in unseren Breitengraden. Und doch: Während Sie diese Zeilen lesen, inhaftieren mehrere Schweizer Kantone Minderjährige, und zwar aus dem einzigen Grund, weil sie Migranten sind: um sie abzuschieben.
Können Sie sich selbst vorstellen, in dem Alter, in dem Sie lesen gelernt haben, in Haft gehalten zu werden? Und Ihr Teenager, der mit seinem Smartphone spielt, in welchem Zustand würde er aus einem Gefängnis zurückkehren, wenn er bis zu zwölf Monate eingesperrt war?

Können Sie sich selbst vorstellen, in dem Alter, in dem Sie lesen gelernt haben, in Haft gehalten zu werden?

Ein grosser Unterschied zwischen unserem Land und den USA besteht allerdings darin, dass die Vereinigten Staaten sich geweigert haben, das Internationale Übereinkommen über die Rechte des Kindes zu ratifizieren. In unserem Land ist die Konvention seit mehr als zwanzig Jahren in Kraft und wir betrachten die Schweiz auch gerne als Hort der Menschenrechte. Ein unverdienter Titel in diesem Moment.

Im Zentrum der Kinderrechte steht die Anerkennung, dass Kinder besonders verletzlich sind und eines besonderen Schutzes bedürfen, unabhängig von ihrer Nationalität oder Herkunft. Ein Kind ist in erster Linie ein Kind. Und die Konvention stellt in ihrem ersten Artikel klar, dass jeder Mensch unter 18 Jahren als solches zu betrachten ist. Die Staaten müssen daher im höheren Interesse der Kinder handeln.

Die Schweizer Realität tritt beschämenderweise die Konvention mit Füssen. Erstens, weil Familien mit kleinen Kindern unter 15 Jahren ihrer Freiheit beraubt und in Verwaltungsgefängnissen festgehalten werden, obwohl das Schweizer Recht dies verbietet. Zweitens, weil eben dieses Gesetz die Inhaftierung von Kindern im Alter von 15 bis 18 Jahren allein wegen ihres Migrationsstatus erlaubt. Die UN-Gremien verurteilen diese Praxis, welche die Entwicklung der Kinder untergräbt, einstimmig. Angst, schwere Depressionen und sogar Selbstverletzungen können bei den betroffenen Minderjährigen auftreten, mit langfristigen Folgen.

Jean Zermatten, ehemaliger Vorsitzender des UN-Ausschusses für die Rechte des Kindes, erinnert uns an unsere Werte: „Kinder, die im Kontext der Migration stehen, ob begleitet, getrennt oder unbegleitet, sollten nicht in Haft genommen werden. Der Migrationsstatus sollte keine Straftat darstellen und er darf nicht die Inhaftierung von Kindern rechtfertigen.“

Die administrative Inhaftierung von Kindern muss so schnell wie möglich beendet werden, unabhängig von ihrem Alter und vom Status ihrer Eltern. Um alle Minderjährigen zu schützen, ist eine Gesetzesänderung notwendig, zusätzlich braucht es eine Kontrolle der Praxis der verschiedenen Kantone.
Es ist für mich als Genferin zwar beruhigend zu wissen, dass unser Kanton auf die Anordnung von Verwaltungshaft für Minderjährige verzichtet hat. Doch gleichzeitig ermöglicht er im Rahmen eines Konkordats die Einrichtung von Familienzellen auf Genfer Gebiet für die Bedürfnisse anderer Kantone. Ist das unser Genf, unsere Schweiz? Um unsere humanitäre Tradition zu erneuern, sollten wir endlich alle Kinder in unserem Land schützen und der administrativen Inhaftierung von Minderjährigen ein Ende setzen.

Lisa Mazzone, erschienen in der Tribune de Genève, 3. Juli 2018; Übersetzung: B. Glättli

Lisa Mazzone hat im September 2017 in einer Parlamentarischen Initiative die Änderung dieser Praxis verlangt.

Zusatzinfo: GPK verlangt Änderung der Praxis

Im Rahmen der Administrativhaft für abgewiesene Asylbewerber sitzen in der Schweiz zahlreiche Minderjährige in Haft. Darunter sind auch Kleinkinder. Die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Nationalrats verlangt vom Bundesrat, diese Praxis zu stoppen. Der Bericht ist online verfügbar.