Rücktrittsschreiben Balthasar Glättli für die letzte Gemeinderatssitzung vom 23.11.2011
 
Sehr geehrter Herr Ratspräsident, lieber Joe
Liebe Ratskolleginnen und Ratskollegen
Geschätzte Stadtpräsidentin und geschätzte Mitglieder des Stadtrats
Liebe Mitglieder der Parlamentsdienste
Werte Medienschaffende
Liebe Gäste
 
Hätte dem 26 Jahre jungen, frischgewählten Gemeinderat Glättli 1998 jemand gesagt, dass er auch über ein Jahrzehnt später noch Mittwoch für Mittwoch im Ratssaal von Zürich sitzen würde: ich hätte ihn ausgelacht. Ja, und nun bin ich also dem Amtsalter nach bereits zum Teenager geworden.
In einer solchen Situation muss man wohl kaum begründen, warum man geht. Da sind ja, sowieso, und wie so oft im Leben, die andern schuld – jene Wählerinnen und Wähler, welche mir eine neue Aufgabe in Bern anvertraut haben.
In einer solchen Situation muss ich wohl viel eher begründen, warum ich denn so lange geblieben bin.
 
Ich mache dies in drei Punkten.
Erstens: Der Gemeinderat hat einen gewissen schon fast leicht anarchistischen Charme. Vergleichen wir doch unsere Debatten mit den fünf Beratungskategorien, die mich im Nationalrat erwarten. Da steht ganz am Schluss, nach der verkürzten Fraktionsdebatte und der Kurzdebatte gar ein schriftliches Verfahren… Ganz im Gegensatz dazu klingt unsere – doch bereits verschärfte – Geschäftsordnung enorm liberal. Und das ist auch gut so. Schliesslich sind wir als grosser Gemeinderat ja nichts anderes als ein Ersatz für die Gemeinde­versammlung.
Zweitens: Ich durfte im Gemeinderat Kolleginnen und Kollegen finden, mit denen – über die Parteigrenzen hinweg – eine respektvolle Zusammenarbeit möglich war. Die Highlights für mich persönlich waren natürlich die seltenen Momente, in denen es mir gelang, eine Abstimmung noch im Rat zu kippen. Als ehemaliger Fraktionschef weiss ich, wie ärgerlich dies für all jene ist, die eine saubere, demokratische innerfraktionelle Entscheid-Findung herbeigeführt hatten. Aber als Vollblutpolitiker empfand ich es doch dann am spannendsten, wenn die Ratsdebatten einmal vom erwarteten Drehbuch auch abwichen. Um aber dieses Drehbuch umzuschreiben braucht es flexible und kreative Partnerinnen und Partner in anderen Parteien – ihnen möchte ich hier danken.
Drittens: Obwohl ich wohl das Gegenteil eines «Randsteinpolitikers» war – mit insgesamt 12 Jahren Kommissionserfahrung in den Aufsichtskommissionen GPK und RPK und einer nun nicht einmal ganz abgeschlossenen zweijährigen Ehrenrunde in einer ständigen Spezialkommissionen – habe ich doch immer wieder auch den ganz realen Bezug unserer Geschäfte zum Alltagsleben in unserer Stadt geschätzt. Das «erdet» einen.
 
Zum Schluss noch zwei Worte des Dankes:
Das erste geht an die Parlamentsdienste und alle Kommissions-Sekretärinnen und -Sekretäre, deren Dienste ich bei meinen beiden Kommissionspräsidien in Anspruch nehmen durfte. Einige erinnern sich, es waren mehr als zwei… sie alle aber haben mit viel Einsatz und Engagement uns die Arbeit als Milizpolitiker in den Kommissionen erst möglich gemacht.
Last but not least danke ich meiner eigenen Fraktion, die mich – vor dreizehneinhalb Jahren, obwohl ich der jüngste aller Gewählten war – doch rasch als Chef akzeptierte. Und die es mir in den letzten Jahren oftmals verziehen hat, wenn ich – längst ohne diese offizielle Funktion – mal wieder Silberrücken-Allüren annahm und mich um die üblichen internen Entscheidungs­wege wenig scherte, obwohl ich ihre Beachtung doch von anderen auch immer wieder mit Vehemenz eingefordert habe.
Passt auf euch auf – und «hebed Sorg zu oisere Schtadt». Ich werde mich bemühen, in Bern nicht nur meine Partei und die Interessen des Kantons Zürich zu vertreten, sondern auch die besonderen Interessen seiner Hauptstadt.

Mit kollegialen Grüssen
Balthasar Glättli