Doppelinterview

Zum Doppelinterview im NZZ Folio

[AUSZUG]

Was haben Sie über die Schweiz gelernt in den vergangenen vier Jahren?

Glättli: Man spricht immer davon, dass die Schweiz das beste Beispiel dafür sei, wie man über verschiedene Kultur- und Sprachräume eine Einheit bilden könne. Das ist ein guter Mythos, aber er ist nicht wahr. Es gibt drei, mit den romanischen Gegenden vielleicht sogar vier Schweizen. Nur schon die Deutschschweiz und die Romandie sind zwei verschiedene Welten.

(…)

Was bedauern Sie?

Glättli: Über die Feiertage habe ich für mich einen vorgezogenen Rückblick gemacht. Was ich mir vorwerfe: Ich hätte die Kante gegen die SVP härter setzen sollen. Die ganze Welt ist in Bewegung: In den USA gibt es Trump, in Frankreich das Rassemblement national, in Deutschland die AfD. Leute gehen dagegen auf die Strasse. Aber wir sagen immer noch: Die SVP ist doch ganz anders, sie ist doch ganz nett. Tatsächlich aber ist sie in ganz vielem die Avantgarde der neuen Rechten in Europa. Wir lachen über das Schäfchen-Plakat, in anderen Ländern ist das ein grosser Skandal. Wir sollten nicht nur nett sein zueinander. Das kann auch gefährlich sein. (…) Es hat eine Normalisierung der SVP stattgefunden, die ich gefährlich finde. Das Verständnis der SVP von Demokratie ist: Die Mehrheit hat immer recht, auch wenn die Minderheit ihrer Grundrechte beraubt wird. (…) Die SVP ist unschweizerisch, denn sie will eine Diktatur der Mehrheit über die Minderheiten. Jedenfalls dann, wenn sie gewinnt.