Liebe GRÜNE

Ein schwieriges und gleichzeitig erfolgreiches Jahr haben wir hinter uns – und ein spannendes, herausforderndes Wahljahr steht bevor. Erlaubt mir darum in meinem Brief des Präsidenten einen etwas längeren Rück- und Ausblick, der aufzeigt, weshalb unser aller Engagement in diesem Jahr so unverzichtbar ist. Ich bin gespannt auf eure Rückmeldungen! 

Ich möchte auf vier Punkte eingehen, die euch möglicherweise auch beschäftigen: Was bedeuten die Wahlumfragen? Was haben die GRÜNEN denn in den letzten vier Jahren erreicht? Sind die aktuellen Themen – Krieg in der Ukraine, Energiekrise, Inflation – für die GRÜNEN ungünstig? Und was passiert mit Albert Rösti im Bundesrat?

Zu den Wahlumfragen: Im Wahljahr wollen wir – müssen wir – unsere historisch einmaligen Sitzgewinne von 2019 sichern. Und dazugewinnen. Ein Selbstläufer wird das nicht: Das SRF-Wahlbarometer Ende Oktober 2022 prognostiziert den GRÜNEN leichte Verluste – es zeigt aber gleichzeitig, dass wir uns klar in der Liga der grossen Schweizer Parteien etabliert haben.
Zur Erinnerung: Noch einen Monat vor den Erfolgswahlen, im September 2019, hatten wir im SRF-Wahlbarometer schlechtere Prognosen als im Oktober 2022. Das zeigt einerseits: Umfragen sind tatsächlich Momentaufnahmen. Andererseits gibt es uns auch die wichtige Information: Eine starke Mobilisierung der Sympathisant:innen macht den Unterschied. Das ist ein wichtiger Hinweis an uns alle für den Herbst – aber auch ein Aufruf an alle Mitglieder von Kantonalparteien, die dieses Jahr schon vorher kantonale Wahlen haben. 

Zu den grünen Erfolgen drei wichtige Beispiele aus dem Umweltbereich:  

  1. Dank uns GRÜNEN wird der Ausbau der erneuerbaren Energien weiterhin gefördert. Stellt euch mal vor: Ohne die parlamentarische Initiative unseres Nationalrats Bastien Girod, ohne unser erfolgreiches grünes Lobbyieren im Parlament dafür hätten wir seit Anfang 2023 keinerlei Förderung mehr für den Ausbau der Erneuerbaren! Und das in Zeiten der Klimakrise, der Energiekrise. Dank uns GRÜNEN geht der Zubau von Erneuerbaren vor allem im Solarbereich ohne Unterbruch weiter. Und zwar in einer Höhe, die fast der Hälfte der jährlichen Stromproduktion der Schweizer AKW entspricht.  
  2. Dank jahrelangem Engagement von uns GRÜNEN ist endlich ein Gesetz zur Kreislaufwirtschaft in Sichtweite. Bereits 2014 haben wir GRÜNE mit der Initiative «Grüne Wirtschaft» das Thema der Kreislaufwirtschaft aufs Tapet gebracht. Die Initiative wurde dann an der Urne abgelehnt. Aber die Zeiten ändern sich glücklicherweise. In den vergangenen drei Jahren konnten wir GRÜNE eine breit abgestützte Kreislaufwirtschafts-Vorlage ausarbeiten, die im März 2023 in den Nationalrat kommen wird. Sie enthält Massnahmen für einen nachhaltigeren Produktekreislauf vom Design über die Reparatur bis zur Wiederverwertung. Wir werden dafür kämpfen, dass das Gesetz so viel Rückhalt hat wie die Kreislaufwirtschaft-Vorlage der Jungen Grünen und GRÜNEN Zürich, die von der Bevölkerung mit fast 90 % Zustimmung gutgeheissen wurde.  
  3. Dank vollem Einsatz von uns GRÜNEN hat das Parlament einen indirekten Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative beschlossen, das sogenannte «Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit». Dieser mehrheitsfähige Gegenvorschlag wurde von den grünen Mitgliedern der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie erfolgreich geprägt. Wir stimmen voraussichtlich im Juni 2023 darüber ab – weil die SVP das Referendum ergriffen hat. Mit einem Ja zum Klimaschutzgesetz würde Netto-Null 2050 endlich gesetzlich verankert. Das Gesetz enthält nebst Zwischenzielen auf dem Weg zu Netto Null 2050 griffige und rasch umsetzbare Massnahmen, die dem Klima zugutekommen. Wichtig ist insbesondere der rasche Ersatz von Öl-, Gas- und Elektrowiderstandsheizungen und von Elektroboilern. Somit wird parallel zum Klimaschutz auch Strom gespart. Zudem muss die Bundesverwaltung selbst Netto Null bis 2040 erreichen, und die Kantone sollen dies ebenfalls anstreben.  

Zu den aktuellen Themen: die Unterstellung unserer politischen Gegner, die grünen Lösungen seien Schönwetterpolitik und passten nicht zur aktuellen Krise, sind grundfalsch. Das grüne Programm ist eine umfassende Antwort auf die aktuelle Problemlage. Was wir derzeit erleben, bestätigt uns GRÜNE mehr denn je in unseren Kernpositionen. Die Energiepreise explodieren nicht etwa wegen der Energiewende – sondern weil wir die Energiewende vertrödelt haben. Die Preisexplosion und damit die Inflation sind die direkte Folge unserer Abhängigkeit von den fossilen Energien. Das gilt auch beim Strom, weil die Strompreise an den Gaspreis gekoppelt sind. Wenn wir uns dank einer Offensive für Effizienz und Erneuerbare unabhängig machen von den Fossilen, dann hilft das dem Portemonnaie UND dem Klima. Die Energiewende ist nötig für den Klimaschutz – aber sie ist auch sonst intelligent und nötig, denn sie schafft gleichzeitig Jobs mit Zukunft, Sicherheit, Unabhängigkeit von teuren Energieimporten und Frieden.  

Last but not least: 2022 war kein einfaches Jahr, auch weil das rechtsbürgerliche Machtkartell in Bundesrat und Parlament gerade in der Dezember-Session einen kompromisslosen Kurs fuhr: So hat der Bundesrat den langjährigen Öl- und Autolobbyisten Albert Rösti ausgerechnet im Umweltdepartement UVEK platziert. Damit ist also mit Rösti seit Neujahr ein Politiker Umweltminister, der gemäss Ecorating seit 2015 im Nationalrat gerade ein allereinziges Mal für die Umwelt gestimmt hat. Alarmstufe rot für die Umwelt – und selbst für die ohnehin viel zu zögerliche Klimapolitik des jetzigen Bundesrats. Es ist an uns GRÜNEN als DER Klima- und Umweltpartei, dem neuen UVEK-Vorsteher auf die Finger zu schauen – «UVEK-Watch» sozusagen. Ist Rösti im Bundesrat so schlimm? Das wird sich zeigen. Klar: Wo nötig werden wir die schlimmsten Entscheide mit dem Referendum bekämpfen können. Wo die Wahl Röstis aber am meisten schadet, ist dort, wo eigentlich aus dem Bundesrat heraus hätten Verbesserungen angestossen werden müssen – und wo nichts passiert. Fast vergessen geht neben der Klimakrise nämlich die riesige Krise der Biodiversität. Hier war der Bundesrat schon in der alten Zusammensetzung sehr schwach unterwegs. Für den Schutz unserer Lebensgrundlagen sind nun mit Rösti definitiv keine positiven Impulse zu erwarten. Auch darum braucht es eine Stärkung der GRÜNEN. 

Ja, uns steht uns ein spannendes, herausforderndes und für das Klima, für die Biodiversität, für unsere Zukunft entscheidendes Wahljahr bevor. Ich zähle dabei fest auf unser und auch dein Engagement. Und wünsche uns allen das Glück der Tüchtigen! Wir kennen die Lösungen. Schaffen wir Mehrheiten für sie! 

Gemeinsam machen wir den Aufbruch möglich.  
Balthasar Glättli
Präsident GRÜNE Schweiz

 

P.S. Viele Fragen erreichen mich auch zu den Bundesratswahlen. Wenn auch du dazu Fragen hast, lies mein Interview mit der Republik.